Verbindende Elemente im Werk von Xenia Marita Riebe

Ungegenstandliche Collage - Xenia Marita Riebe

Betrachte ich retrospektiv das Werk der Künstlerin treffe ich auf verbindende Elemente, die schon in frühen Arbeiten sichtbar wurden und sich bis heute durch ihr umfassendes Werk ziehen.

Geteilte Augen in Gemälden und Skulpturen

So findet sich sowohl in den Gemälden als auch in den Skulpturen das „geteilte Auge“, also die Darstellung von zwei oder mehr Personen, die sich drei oder mehrere Augen teilen. Dies erweckt beim Betrachter ein Gefühl der innigen Verbundenheit der Dargestellten, bis hin zum völligen Aufgehen ineinander. Beispiele hierfür finden sich in den Gemälden der Reihen „Weiße Fremde“und „Klone“, in den Collagen und Skulpturen der Reihe „Weltschmerz“ und in älteren Arbeiten, die keinem Zyklus zuzuordnen sind, wie in dem plastischen Werk „Asche zu Asche“ aus dem Jahr 2006.
Im Gemälde „Liv, Lilo, Lida und Lisia“ sind vier Frauen abgebildet, die sich vier Augen teilen, von denen je zwei in entgegengesetzte Richtungen schauen. Dadurch entsteht ein verstörender Ausdruck. Die dargestellten geklonten Frauen scheinen nach einem Ausweg aus ihrer vertrackten Situation zu suchen. Unruhe, gar Verzweiflung ist in den Gesichtern zu sehen.

Bilder von Xenia Marita Riebe

v.l. “Verdrehte Harmonien”, Reihe “Blue Print” – Collage “Weltschmerz” – „Liv, Lilo, Lida und Lisia“, Reihe Klone

Die Köpfe, die die Künstlerin aus Zeitungspapier gestaltete, haben mindesten drei Gesichter. Dies unterscheidet sie von Darstellungen des Gottes Janus (Gott des Anfang und des Endes), der mit stets zwei, in entgegengesetzter Richtungen schauenden Gesichtern abgebildet wird. Bei Xenia Marita Riebe zeigen die Köpfe eine Art „Rundumgesicht“, wobei ein Gesicht in das andere übergeht. Dabei entsteht der oben bereits erwähnte Effekt, dass Augen in mehreren Gesichtern gleichzeitig in der richtigen Position erscheinen.
Im Gemälde „Anceps“ aus dem Jahr 2004 scheint eine Ansicht einer dreiköpfigen plastischen Skulptur dargestellt zu sein. Das Bild nimmt die Verformungen voraus, die sich später bei den plastischen Köpfen der Reihe „Weltschmerz“ zeigen sollten.

"Anceps" und Kopf "Weltschmerz"

“Anceps”              –                                              Kopf aus der Reihe “Weltschmerz”

In ihren Gemälden hat die Künstlerin Gesichter in Reihungen gemalt, wobei einer Profildarstellung eine Frontaldarstellung folgt. Dies wiederholt sich mehrfach, sodass ein verblüffender Eindruck entsteht. So zum Beispiel im Gemälde „Ada, Afra, Alba, Ana, Alva und Arka“ aus der Reihe Klone, das sechs Frauen zeigt, die sich insgesamt sieben Augen teilen.
Das Gemälde „Hajo, Hal, Hanko, Hanno und Hans“ aus derselben Reihe scheint eine Hälfte eines Mehrfachkopfes zu zeigen, der aus acht Gesichtern besteht, die sich 12 Augen teilen.

2 Gemälde Reihe Klone

„Hajo, Hal, Hanko, Hanno und Hans“        –              „Ada, Afra, Alba, Ana, Alva und Arka“, Zyklus “Klone”

In den Collagen der Reihe „Weltschmerz“ hat die Künstlerin je einen Mann und eine Frau so collagiert, dass sich deren Gesichtshälften zu einem Ganzen fügen. Auch hier zeigt sich wieder die Frontal- und Profilansicht mit zwei Augen für zwei dargestellte Gesichter.
In einer weiteren Collage aus diesem Zyklus gehen drei Frauen voreinander her. Die letzte und die erste tragen Sonnenbrillen, wobei der Brille der ersten Frau die Gläser fehlen und so ein Auge der mittleren Frau im Gesicht der ersten zu sehen ist.
In der Mix-Media-Arbeit „Barbara“ aus dem Jahr 2016 teilt sich eine Frau ein Auge mit einer Katze.

Collagen Xenia Marita Riebe

Collagen aus der Reihe “Weltschmerz”

Hände in den Arbeiten von Xenia Marita Riebe

Die bereits beschriebene Arbeit „Asche zu Asche“ (2006) beinhaltet ein weiteres wiederkehrendes Gestaltungselement, das von der Künstlerin häufig angewandt wird. Hierbei handelt es sich um Hände, oft drei an der Zahl, die überdimensioniert erscheinen. In „Asche zu Asche“ sind es zwei blaue Handpaare, die einen Kopf mit vier Gesichtern umschließen.
In der Skulptur „Hab acht, du Geist Afrikas, die Meere werden deine Schuhe netzen“ aus der Reihe „Surreale Welten“ die im Jahr 2012 entstand, trägt eine Gestalt ihren eigenen Kopf in drei großen Händen. Eine weitere Skulptur dieser Serie mit dem Titel „Zeichen wie Schnee brennen Krater in den Lauf des Daseins“ stellt einen jungen Mann dar, der einer übergroßen Hand entwächst. „Dada, meine Schwester aus Glut, lächelnd aus der Tiefe der Zeit“ steht wiederum auf drei ihrer Finger.

 

Skulpturen Xenia Marita Riebe

“Asche zu Asche”            –                           Zwei Skulpturen aus der Reihe “Surreale Welten”

Surreale Figuren bilden einen weiteren roten Faden im Werk der Künstlerin. So entstanden 2011 mehrere Figurenpaare, die sich einen Teil ihres Körpers teilen. Die Skulptur “Dora und Franz”  ist eine Hommage an Franz Kafka und an seine letzte Lebensgefährtin Dora Diamant. Eine weitere Skulptur zeigt den Autor Mario Vargas Llosa mit seiner Frau Patricia und trägt den Titel “Mario und Patricia”. Auch Jackie Kennedy und Liz Taylor teilen sich  in der Skulptur “Jackie und Liz” einen Teil ihrer Körper. Liz Taylor ist aus der Abbildung des berühmten Gemäldes der Schauspielerin von Andy Warhol gearbeitet. Diesen Werken voraus ging die Skulptur „Mein Vater und ich“ aus dem Jahr 2005.

Menschengruppen im Werk der Künstlerin

Ein weiteres Merkmal der Kunst von Xenia Marita Riebe sind die Darstellungen von Menschengruppen. Oft ist es eine Art Auftürmung von Köpfen, wie in einigen Gemälden aus der Reihe „Weiße Fremde“. In „Quaero“ schauen 12 Gesichter in Richtung Himmel. In „Cassus“ sind es neun Gesichter, die in ähnlicher Ausrichtung abgebildet sind. „Ignotus“ zeigt 16 Gesichter in unterschiedlicher Ausrichtung nebeneinander und in „Joseph“ sind es kleine Akte, die sich unter große Gesichter mischen. Auch in den Bildern der Serie „Borderliner“ machen sich Menschengruppen auf zu anderen Ufern.
In den Arbeiten zur Reihe „Klone“ (Skulpturen, Gemälde und Fotografien) werden, allein um der Thematik gerecht zu werden, immer mehrere bis viele Menschen gleichzeitig gezeigt. Aber auch in anderen plastischen Arbeiten wie zum Beispiel in „Boat People“ sind Gruppen dargestellt, hier 23 Figuren aus braunem Zeitungspapier in Form der Wurzeln von Mangroven.

Gemälde/ Skulpturen Xenia Marita Riebe

“Joseph”, Reihe “Weiße Fremde”      –                                               “Boat People”

Auch in der Serie „Felsmalerei in Verbindung mit moderner Technik“ aus den Jahren 1993 und 1994 finden sich bereits Menschengruppen, wie im Bild „Energiespiele“.
Die umfangreichste Arbeit diesen Inhalts ist Xenia Marita Riebes „Global Citizen ART Projekt“. Hier sind es 200 Skulpturen aus 200 Originalzeitungen aus 200 Ländern der Erde, die als Gruppe die bekannte Arbeit zur Globalisierung bilden. 2003 bis 2007 entstanden, waren die einzelnen Figuren des Werks auf Stahlplatten in Form der Erdteile installiert. Heute sind sie in einen Kubus aus Acrylglas eingeschweißt. Das schützt die Arbeit vor Umwelteinflüssen und erleichtert die Ausstellung.

Skulpturen/Gemälde Xenia Marita Riebe

“7 x Eduard”,  Reihe Klone   –                        “Energiespiele”, Zyklus “Felsmalereien in Verbindung mit Technik”

Der Werkstoff Zeitungspapier findet sich in vielen Arbeiten

Nun zum letzten Element, das sich durch das gesamte Werk der Künstlerin zieht, zum Material.
Xenia Marita Riebe benutzte bereits für ihren ersten größeren Zyklus Zeitungspapier als Malgrund. Sie transportierte Figuren aus den Höhlenmalereien vom Hohen Brandberg in Namibia in Fotografien, die Technik als Sujet hatten. Auch bei allen weiteren Werkgruppen ist sie dem Material Zeitung treu geblieben. All ihre Skulpturen sind aus Zeitungspapier in seiner reinen unbemalten Form. Auch ihre Collagen und Decollagen sind aus dem Werkstoff Zeitungspapier und auch in vielen ihrer Gemälde finden sich Elemente aus diesem Material.

Decollagen "Peace" und "Amerika"

Decollagen “Peace” und “Amerika”

Doch zurück zu den Händen. Im Zyklus „Sudden Visitation“ kommt das Motiv Hände gleich mehrfach vor. Hier sind es verfremdete Aufnahmen der Hände der Künstlerin. Aber auch in Arbeiten zum Thema Tanz, plastisch und fotografisch, spielen Hände eine große Rolle.

Vanilla Sky, Hände - Xenia Marita Riebe

“Vanilla Sky”, aus dem Fototagebuch der Künstlerin      –          “Hände”, bearbeitete Fotoarbeit

Die „Worl Press Zeichnungen, 200 an der Zahl, sind auf Zeitungsausrissen gemalt. Einer weiteren Reihe mit dem Titel „Presse Bilder“ liegen Fotografien aus der Tageszeitung zugrunde. Dabei bleibt die Künstlerin immer dem Prinzip treu, das Zeitungspapier unverändert, also nicht bemalt oder übermalt zu zeigen. Lediglich in manchen Bildern bringt sie aus gestalterischen Gründen Überhöhungen mit Farbe auf oder übermalt das Zeitungspapier mit trasparenten Acrylfarben. In ihren Skulpturen ist das Zeitungspaier das primäre Gestaltungselement und ist immer unbemalt.
In ihren Collagen sind durch die Feinheit des Materials Zeitung und durch die Verwendung von Tapetenkleister zur Fixierung desselben keine Übergänge und Kanten erkennbar. So auch in ihrer letzten Reihe von ungegenständlichen Collagen aus dem Jahr 2017.

Text: © Bernd Riebe
Fotos: © Siegfried Mayska, Giulio Cosca, Xenia Marita Riebe
Video: © Bernd Riebe

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