Epigonier – Skulpturen von Xenia Marita Riebe

Endzeitfiguren mahnen den Betrachter zu bewusstem Handeln

„Epigonier“ heißen die Endzeitfiguren der Künstlerin Xenia Marita Riebe. Der Name ist eine Ableitung der Bezeichnung „Epigonen“ (griechischen Mythologie), womit die Nachfahren der Sieben von Theben benannt sind. Auch die „Epigonier“ sind Nachfahren, die Nachfahren der heutigen Menschheit. Diese sind nach der Zerstörung der Lebensbedingungen auf der Erde auf einen fiktiven Planeten namens „Epigonia“ ausgewandert. Dort versuchen sie Fuß zu fassen, was aber nicht gelingen kann.

Die „Epigonier“ von Xenia Marita Riebe sind ihrem Schicksal schutzlos ausgeliefert. Gefesselt und geblendet sind sie gezwungen in Stille zu verharren und ihre Schuld zu reflektieren. Keine Entwicklung ist möglich, keine Chance zur Urbarmachung ihrer neuen Heimat gegeben.

Sucht man bei den Plastiken aus unbedrucktem Zeitungspapier nach einem Gesichtsausdruck, findet man lediglich die Andeutung eines Gesichts unter einem Tuch, das mit einer Schnur um den Hals gebunden ist. Auch Hände, Arme und Beine dieser vom Schicksal gestraften Menschen sind gefesselt. Oft stehen sie in Gruppen zusammen, sind aneinander gefesselt, stützen oder tragen einander oder sind einzeln der Verzweiflung anheim gegeben. Unter einigen Tüchern scheint eine Gasmaske versteckt zu sein, andere Figuren tragen Jacken, die an Zwangsjacken erinnern.

Angesichts dieser tragischen Menschen könnte der Betrachter nach der Ursache für dieses Leid fragen. Dies ist aber eine Frage, die er gegen sich selbst richten müsste, denn wir erinnern uns, die „Epigonier“ stellen unsere Nachkommen dar. Also muss der Schlüssel für ihr Schicksal bei uns liegen, in unserer heutigen Verantwortung zu finden sein. Aus welchem Grund könnten unsere Epigonen gezwungen sein, die Erde zu verlassen, um auf einem fremden Planeten eine neue Heimat zu suchen? Spielen Umweltzerstörung und Klimawandel eine Rolle in diesem Zukunftsszenario? Wo liegt unsere Verantwortung? Können wir dazu beitragen, dass unseren Nachfahren ein solches Schicksal erspart bleibt?

Diese Fragen drängen sich dem Betrachter der „Epigonier“ fast wie von selbst auf. Ob wir eine Antwort darauf finden wird sich zeigen.

Aber es gibt auch eine andere Herangehensweise an diese seltsam anmutenden Wesen. Lassen wir das haptische Material, die weich fließenden Formen der angedeuteten Kleidung, die vielen Gesten der papierenen Hände und die Körperhaltung der „Epigonier“ auf uns wirken, so können diese Plastiken losgelöst vom Inhalt, den sie transportieren, auch ein wahrer Kunstgenuss sein.

Text: © Xenia Marita Riebe

Fotos: © Giulio Coscia

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