Über väterliche Gewalt zur Kunst

Louise Bourgeois  und Niki de Saint Phalle

Zwei weltberühmte Künstlerinnen – ein Weg

Louise Bourgeois und Niki de Saint Phalle vereint nicht nur, dass sie sich in ihrem Werk der Darstellung der Weiblichkeit widmeten, sondern auch der schmerzhafte Weg zum künstlerischen Ausdruck. Beide erfuhren in ihrer Kindheit Gewalt durch den eigenen Vater, die sie so sehr belastete, dass allein die Kunst ihnen einen Ausweg aus ihrer psychischen Bedrängnis bot. So begannen beide ihren künstlerischen Weg mit der Aufarbeitung des Schmerzes um schließlich in der Darstellung der Weiblichkeit ihren Frieden zu finden. Nicki de Saint Phalle wählte schon früh den positiven Weg. Mit ihren berühmten Nanas huldigte sie der Weiblichkeit und stärkte so die Position der Frau in der Kunst wie in der Öffentlichkeit. Louise Bourgeois brauchte Jahrzehnte, ehe sie diese Kraft fand. In ihrem Alterwerk setzte sie mit vielen Varianten der Spinnenskulptur, die sie „Maman“ nannte, nicht nur ihrer geliebten Mutter sondern auch dem weiblichen Prinzip ein Denkmal. Auf ihre Art können beide Künstlerinnen als Frauenrechtlerinnen gesehen werden.

Doch um dorthin zu gelangen, mussten sie beide einen steinigen Weg gehen.

Catherine Marie-Agnès Comtesse Fal de Saint Phalle, genannt Niki, wurde am 29. Oktober 1930 in Neuilly-sur-Seine geboren. Sie war das zweite von fünf Kindern von Jeanne Jacqueline und André Marie Fal de Saint Phalle. Ihr Vater gehörte dem französischen Uradel an und betrieb das Bankhaus der Familie. In Nikis Geburtsjahr verlor ihr Vater durch einen Börsenkrach sein gesamtes Vermögen, was nicht ohne Folgen für seine Kinder blieb. Die Atmosphäre in Nikis katholisch geprägtem Elternhaus änderte sich merklich. Hatte durch die strenge Religionsausübung schon immer erdrückende Enge geherrscht kamen nun noch die Gewaltausbrüche des Vaters dazu. Für jedes falsche Wort gab es eine Ohrfeige und oft schlug der Vater auch mit der Rute zu. Niki wehrte sich durch Rückzug, Verweigerung und Provokation. Doch das eigentliche Trauma ihrer Kindheit ist der sexuellen Missbrauch durch den eigenen Vater, der sie schließlich in ihrem 11. Lebensjahr vergewaltigte. Dieses traumatische Erlebnis hätte Niki de Saint Phalle beinahe auf Dauer hinter die Mauern der Psychiatrie gebracht. Sie erlitt mit 21 Jahren – sie war verheiratet und bereits Mutter einer Tochter – einen schweren Nervenzusammenbruch und wurde in einer psychiatrischen Klinik erfolglos mit Elektroschocks behandelt. Während der folgenden psychotherapeutischen Behandlung lernt sie die Malerei kennen. Sie malte naiv-kindliche Bilder durch die ihre Albträume ans Licht zu drängen versuchten.

 

Doch es sollte noch 4 Jahre dauern, ehe Niki de Saint Phalle ihren Weg zur Kunst fand. Sie hatte New York, wo sie mit ihrem Mann dem Schriftsteller Harry Matthews und ihrer Tochter lebte, verlassen und war in Paris ansässig geworden, wo sie eine Schauspielschule besuchte. Dort begegnete ihr erstmalig die Kunst von Matisse, Picasso, Klee und Rousseau. Durch ihren Mann lernte sie zeitgenössische Autoren und bildende Künstler kennen, so auch den Künstler Jean Tinguely. Das kreative Chaos in dessen Atelier – Tinguely schuf magische Maschinen aus Schrott – regte sie dazu an, sich an Abfall-Assemblagen zu versuchen. Dadurch gelang es ihr erstmalig in Reliefs aus Messern, Beilen, Scheren und Pistolen ihren so lange unterdrückten seelischen Verletzungen Ausdruck zu verleihen. Dennoch fand sie keine Heilung. 1961 entstand das Materialbild „Sankt Sebastian oder Portrait meines Liebhabers“ Hierfür klebte sie ein weißes Männerhemd mit umgebundener Krawatte auf Holz, beträufelte es à la Jackson Pollock mit schwarzer Farbe, schlug etliche Nägel durch den Stoff und setzte dem ganzen einen Kopf aus einer mit Wurfpfeilen gespickten Zielscheibe auf. Mit diesem bösartigen Vaterbild verschaffte sich Niki de Saint Phalle das Entrée bei der Gruppe der „Nouveaux Réalistes“. Dieser Gruppe gehörten, neben dem streitbaren Kritiker Pierre Restany, Künstler wie Jean Tinguely, Yves Klein, César, Arman, Christo und Daniel Spoerri an. Zeitweise sympathisierten auch die amerikanischen Künstler Jasper Johns, Larry Rivers und Robert Rauschenberg mit dieser Bewegung. Niki de Saint Phalle wurde als attraktive Frau bald Mittelpunkt dieser Gruppe. Durch die künstlerische Umgebung angeregt, entwickelte sie bald die Idee der „Target Pictures“ („Zielscheiben“). Ihren gehassten Vater-Geliebten nur mit Pfeilen zu malträtieren genügte ihr nun nicht mehr. Sie füllte Hohlräume hinter weißen Reliefs mit Farbbeuteln und beschoss sie mit einem Gewehr, so dass die unter dem Gips verborgenen Farbbeutel platzten und sich die Farbe über die raue Oberfläche ergoss. So entstanden blutende Altäre, Ikonen und blasphemische Installationen. Auf die Frage, wen sie damit treffen wolle, antwortete Niki de Saint Phalle stets mit Gegenfragen. „Daddy? Alle Männer? Kleine Männer? Lange Männer? Große Männer? Fette Männer? Meinen Bruder? Oder war ich das Bild?“ Ein anderes mal erklärte sie, dass sie auf die eigene Gewalttätigkeit geschossen habe, manchmal auf die Kirche, aber niemals auf Gott. Nach solchen Angriffen mit scharfer Munition fühlte sie sich besser, wie von einer schweren Last befreit.

„Es war eine großartige Therapie für mich“, erinnerte sie sich: „aber irgendwann bemerkte ich, dass mich das Schießen abhängig machte. Ich kam an den Punkt, an dem ich die Kontrolle verlor. Mein Herz klopfte, ich zitterte vor und während der Performance. Ich war wie in Ekstase. Deshalb gab ich es auf.“ Das, was sie als „Abstieg in die Hölle“ bezeichnete war bewältigt und sie war frei, sich einer anderen Kunstrichtung zu widmen. Erstmalig verspürte sie Schöpferdrang. Ab 1962, etwa zur selben Zeit wie Louise Bourgeois, setzte sich Niki de saint Phalle auf ungewöhnliche Weise mit der Frauenrolle auseinander. Es entstanden plastische Objektbilder von Frauenfiguren wie „Die rote Hexe“, „Die Braut“, „Die rosa Geburt“ und „Das Monster“. Doch schon bald begann sie die Arbeit an der ersten „Nana“, die sie aus Drahtgeflecht fertigte und mit buntem Stoff überzog. Weitere „Nanas“ baute sie aus bunt bemalter Papiermaché, ehe sie dazu überging Stahl und Polyester zu verwenden. Mit Jean Tinguely verband sie zu dieser Zeit bereits eine so tiefe Liebe, dass sie ihren Mann und ihre Kinder aufgab und 1971 Tinguely heiratete. 1966 wurde das Künstlerpaar eingeladen im Stockholmer Moderna Museet eine Riesen-Nana zu installieren. Mit der Entstehung der 29 Meter langen, 9 Meter breiten und 6 Meter hohen Skulptur „Hon“ (sie), die durch die Vagina betreten werden konnte und in deren Innerem sich ein Kino, ein Planetarium, eine beschallte Liebesbank, eine Milchbar und diverse andere Dinge befanden, begann der Siegeszug der „Nanas“, die nun, monströs, heiter, poppig bemalt, provokant und empörend die Welt erobern sollten. Für Niki de Saint Phalle waren die Skulpturen von großem Symbolwert. Sie verkörperten ein Gegenprogramm zur Männerwelt. Sie waren bunt , prall und voller Lebensfreude. Niki de Saint Phalle: „Frauen sind einfach stärker.“ Mit ihrer Parole “Alle Macht den Nanas” griff die Künstlerin auch die in der Luft liegenden Ideen der Frauenbewegung auf. Die „Nanas“ der Niki de Saint Phalle wurden zum weltweiten Symbol für weibliches Selbstbewusstsein und Stärke und für die Künstlerin selbst zum Sinnbild ihrer seelischen Heilung.

Auch die berühmte Künstlerin Louise Bourgeois setzte sich Zeit ihres Lebens in ihrem Werk mit ihrer Kindheit auseinander, die ebenso wie die Niki de Saint Phalles von väterlicher Gewalt geprägt war. Doch anders als bei dieser übte Louise Bourgeois Vater eher eine psychische Gewalt auf seine Tochter aus. Dabei spielt aber auch Sexualität eine große Rolle.

Louise Bourgeois wurde am 25. Dezember 1911 als dritte Tochter von Jean-Louis Bourgeois und dessen Frau Joséphine geboren. Leider war das Neugeborene wieder nicht der vom Vater erhoffte Sohn. Um den Vater mit der Geburt einer weiteren Tochter zu versöhnen, griff Mutter Joséphine zu einer List. „Das Kind ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten!“, soll sie gesagt haben. „Wir wollen es Louise nennen.“ Durch den Umstand ihrer Geburt blieb Louise Bourgeois ihr Leben lang der Vorstellung verhaftet, die Geburt von Töchtern müsse man „verziehen“ bekommen und als Tochter müsse man sich lebenslänglich sein Daseinsrecht erkämpfen.

Louise Bourgeois Vater, ein Kunsthändler, war ein notorischer Schürzenjäger und betrog ihre Mutter wann immer er konnte. Dies kränkte die Mutter sehr, die eine Manufaktur mit 20 Arbeiterinnen leitete, in der historische Tapisserien restaurierte wurden. Der Vater, ein Charmeur und eingefleischter Macho nahm bei seinen Seitensprüngen weder auf seine Frau noch auf seine Töchter Rücksicht. Mehrfach brachte er eine Geliebte mit ins Haus und mutete seiner Familie zu mit dieser zusammenzuleben. Als Louise acht war, kam dann Sadie Richard Gordon ins Haus, ein schönes englisches Kindermädchen, das ihr frühzeitig die Weltsprache Englisch beibringen sollte. Louise war stolz, dass man sich so um sie bemühte, bis sie entdeckte, dass auch Sadie eine Geliebte ihres Vaters war. Zehn Jahre lang lebte Sadie im Haus der Bourgeois mit der Familie unter einem Dach. Joséphine Bourgeois, die mit knapper Not die spanische Grippe überstanden hatte, war gesundheitlich angeschlagen und duldete die Rivalin notgedrungen in ihrem Haus. Louise, die ihre Mutter sehr liebte, musste nun zehn Jahre lang blind sein gegenüber deren Schmerz und erstickte fast an ihrer Wut auf den Vater. Dabei musste sie nicht nur das Leid ihrer Mutter verdrängen, sondern auch ihre eigene Enttäuschung, hatte sie doch geglaubt, von Sadie geliebt zu werden, um dann festzustellen, dass sie nur als Mittel zum Zweck diente. Auch sie war von Sadie und von ihrem Vater betrogen worden. Sehr zu schaffen machte ihr auch die Verletzung ihrer Schamgefühle durch ihren Vater. Dieser machte sich häufig über sie lustig und stellte sie während des Essens bloß. So schnitt er aus einer Mandarinenschale einen Mädchenkörper zeigte ihn hoch und sagte: „Seht her, das ist Louise. Sie hat nichts! Alles, was sie zwischen den Beinen hat, sind ein paar dünne weiße Fäden!“ Während die anderen lachten knetete Louise aus Brot heimlich den Körper ihres Vaters und schnitt ihm anschließend mit dem Messer alle Glieder ab. „Meine erste skulpturale Lösung“, bemerkte sie später trocken. So wurde Louise Bourgeois anders als Nicki de Saint Phalle bereits als Mädchen zur Künstlerin.

In einem Interview, der Kulturzeit des Fernsehsenders 3sat sagte sie darüber:

„Mein Vater redete pausenlos. Ich hatte nie Gelegenheit, etwas zu sagen. Da habe ich angefangen, aus Brot kleine Sachen zu formen. Wenn jemand immer redet und es sehr weh tut, was die Person sagt, dann kann man sich so ablenken. Man konzentriert sich darauf, etwas mit seinen Fingern zu machen. Diese Figuren waren meine ersten Skulpturen, und sie repräsentieren eine Flucht vor etwas, was ich nicht hören wollte. […] Es war eine Flucht vor meinem Vater. Ich habe zahlreiche Arbeiten zu dem Thema ‚The Destruction of the Father‘ gemacht. Ich vergebe nicht und ich vergesse nicht. Das ist das Motto, das meine Arbeit nährt.“

Aber auch in der elterlichen Werkstatt fertigte Louise Bourgeois schon als Kind Zeichnungen an, mit deren Hilfe schadhafte Stellen in den alten Stoffen ersetzt werden konnten. Spezialisiert war sie dabei auf das Zeichnen von Füßen. Ihre Mutter war von Beruf Weberin, was Louise später als Künstlerin immer wieder aufgreifen sollte. Sie war 20, als ihre Mutter starb. Als Reaktion auf das Unverständnis des Vaters für ihre Trauer sprang sie in die Bièvre, den Fluss hinter ihrem Elternhaus. Sie wurde gerettet. Überhaupt kann Louise Bourgeois Leben als ständiger Kampf gegen den übermächtigen Vater gesehen werden. Noch als Erwachsene traf sie alle wichtigen Entscheidungen nur aus Opposition gegen ihn.

Ihr Vater war gegen den Kommunismus, also sympathisierte Louise damit. Der Vater hatte etwas gegen Künstler, also brach sie ihr Mathematikstudium ab und studierte Kunst und Kunstgeschichte. Ihr Vater war ein notorischer Schürzenjäger, also heiratete sie einen „Puritaner“, den amerikanischen Kunsthistoriker Robert Goldwater.

Erst als sie mit diesem 1938 nach Amerika übersiedelte, gelang es ihr sich von ihrem Vater zu lösen.

Hier gibt es eine weitere Parallele zwischen den Künstlerinnen Nicki und Louise. Beide in der Nähe von Paris geboren verlassen sie mit ihren Ehemännern Frankreich und gehen nach New York. Erst der Atlantik, der zwischen den Töchtern und den Vätern lag, schaffte eine gewisse Distanz zur Vergangenheit.

Doch weder Niki de Saint Phalle noch Louise Bourgeois konnten in New York die Erlebnisse ihrer Kindheit völlig vergessen. Niki de Saint Phalle verließ New York nach einem Nervenzusammenbruch und einem darauf folgenden Aufenthalt in der Psychiatrie. Sie zog mit ihrem Mann und ihrer Tochter zurück in die Nähe von Paris. Louise Bourgeois blieb bis zu ihrem Tod in New York. Hier schuf sie ihr gesamtes Lebenswerk. Dabei wurden die Wut auf den Vater und das Mitleid mit der Mutter für sie zum zentralen Motiv ihrer Kunst. Aus der Kindheit kam für sie der erste und einzige schöpferische Impuls. Die Jahre an der Seite ihrer Mutter verloren für sie nie ihre magische Kraft und die Geschehnisse um ihren Vater nie das geheimnisvolle Dunkel.

Louise Bourgeois bekam in Amerika drei Söhne und begann auch ihre künstlerische Laufbahn in der Metropole an der Mündung des Hudson River. Tagsüber versorgte sie Haushalt, Mann und Kinder und nachts arbeitete sie in ihrem bescheidenen Atelier. Aus dieser Zeit stammen mehrere Zeichnungen, die einen Frauakt darstellen, dessen Kopf, Schultern und Arme in einem engen Haus stecken. Jeder kennt das Gefühl von Enge und Gefangensein, das ihn in Momenten überfällt, in denen er ein enges Kleidungsstück über den Kopf auszuziehen versucht und darin stecken bleibt. Die Künstlerin nannte diese Zeichnungen „Femme Maison“. Sie verdeutlichen die Enge, die sie als Hausfrau und Mutter damals empfand, aber auch die Enge, die in ihrem Elternhaus allgegenwärtig war.

Jean-Louis Bourgeois verstarb 1951, blieb aber in Louises Kunst gegenwärtig. In ihren Kunstwerken aus jener Zeit beschäftigte sie sich in immer neuen Varianten mit ihm. Ähnlich wie Niki de Saint Phalle versuchte sie den dominanten Vater über den Weg der Kunst zu zerstören. So schuf sie 1974 das wohl berühmteste Werk zu diesem Thema. „Destruction of the Father“, eine Rauminstallation über den kannibalischen Vatermord, in der sie ihre Angst und Ohnmacht in der Beziehung zu ihrem Vater thematisiert.

In ihren Skulpturen verarbeitet Louise Bourgeois lange Zeit ihre Angst vor der Sexualität und vor der Übermacht des männlichen Prinzips. So schuf sie viele Skulpturen mit eindeutig sexuellem Inhalt, wobei der Phallus eines ihrer Lieblingsmotive war. Doch selten kommt dieses männliche Sujet allein daher. In vielen Skulpturen kombinierte die Künstlerin männliche und weibliche Geschlechtsorgane wie in „Janus Fleuri“ einer Bronzeskulptur, die einen weiblichen Schoß darstellt, der an Stelle der Hüftknochen mit prallen Hoden ausgestattet ist. Ein weiteres Beispiel ist die „Weiche Landschaft III“ aus dem Jahr 1967. Hier sind die Scham, mit vorwitziger Klitoris, und zwei Hoden als Hügel in eine sanfte Landschaft eingefügt. Kommt der Phallus aber allein daher, so spielte Louise Bourgeois zumindest mit dem Titel der Skulptur auf das Weibliche an. So nannte sie beispielsweise eine sehr realistische, übergroße Darstellung eines Phallus aus Latex über Gips „Fillette“, was ins Deutsche übersetzt „Töchterchen“ oder „kleines Mädchen“ heißt. Ihre Visionen konkretisierte die Künstlerin mit den Worten: „Natürlich war meine Arbeit immer sexuell suggestiv! Manchmal bin ich vollkommen mit weiblichen Formen beschäftigt, ich schaffe dann Wolkenberge aus Brüsten, aber oft verschmelze ich die Bilder und es entstehen phallische Brüste und Skulpturen, die sowohl männlich als weiblich sind, sie wirken aktiv und passiv zugleich.“

Erst in ihrem Alterswerk – wenn man bei Louise Bourgeois überhaupt von einem solchen sprechen kann, blieb sie doch bis zum Ende ihres Lebens immer in Entwicklung und ihre Kunst so jung, dass sie ihren Platz zwischen den etablierten Künstlern der heutigen Zeit behaupten konnte – wandte sie sich einer rein weiblichen Form, der Spinne zu. Sie schuf riesige Bronzespinnen, die entweder eine ihrer „Cells“ – die klaustrophobische Räume aus Maschendraht – bewachen, oder ihre eigene Brut, die sie in Form von großen Eiern in einem Netz unter dem Körper tragen. Diese Spinnen, die Louise Bourgeois „Maman“ nannte sind eine Hommage an ihre Mutter, der besten Freundin ihrer Kindheit. Mit ihnen und mit den sehr weiblichen Puppen, die sie im Alter aus Stoff nähte und einzeln oder in Paaren von der Decke baumeln ließ, scheint sie ihren Vater endgültig überwunden zu haben.

Louise Bourgeois starb im Alter von 98 Jahren am 31. Mai 2010 in New York. Sie war eine der bedeutensten Künstlerinnen unserer Zeit.

© Text: Xenia Marita Riebe

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