Sechs Gründe für den Verzicht auf Fleisch

Etwa 10 Prozent der Deutschen ernähren sich vegetarisch, d.h. sie essen wohl tierische Produkte wie Eier und Käse, aber sonst nichts „was Augen hat“. Vor zwanzig Jahren waren das gerade mal 2 Prozent und das heutige Angebot an vegetarischen Produkten in Supermärkten und Restaurants war kaum vorstellbar. Eine gute Entwicklung, wie ich finde, nur eben leider bleiben da noch 90 Prozent Fleischesser, die aus Gewohnheit, vielleicht auch Fehlinformation (Isst du kein Fleisch dann fehlt dir was) oder einfach weil’s so gut schmeckt am Fleischkonsum festhalten. Dabei gibt es gute Gründe für eine ausgewogene vegetarische Ernährung und damit für einen Verzicht auf Fleisch. Die sechs wichtigsten möchte ich hier anführen.

1. Klimawandel
Die sogenannte Nutztierhaltung und die damit verbundene Futtermittelproduktion tragen wesentlich zum Klimawandel und Artensterben bei. Sie belasten Luft, Böden sowie Gewässer und beanspruchen unnötig große Mengen an Energie, Fläche und anderen Ressourcen. Die Umweltbelastung allein durch den Fleischkonsum in Deutschland ist immens.
Die Landwirtschaft – weltweit wie auch in Deutschland – ist eine wesentliche Ursache der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung. Sie ist für den Großteil der Treibhausgase Lachgas und Methan verantwortlich, die weitaus klimaschädlicher sind als Kohlendioxid (CO2). Zum Treibhauseffekt und damit zur Erderwärmung trägt die Landwirtschaft zudem erheblich durch sogenannte Landnutzungsänderungen (Entwaldung, Grünlandumbruch, Moornutzung) bei. Die Erzeugung und der Konsum tierischer Lebensmittel, insbesondere von Fleisch, verursachen dabei weitaus mehr CO2 und andere Treibhausgase als pflanzliche Produkte. Eine pflanzenbasierte Ernährung verringert die Umweltbelastung deutlich, den CO2-Fußabdruck etwa um über 50 %.
2. Energie- und Ressourcenverschwendung
Die Produktion von Fleisch und anderen tierischen Nahrungsmitteln ist eine große Energie- und Ressourcenverschwendung. Sie verbraucht weitaus mehr unserer Lebensgrundlagen als pflanzliche Lebensmittel. Über 70 % der globalen Agrarflächen sind Weideland, das teilweise zum Anbau von pflanzlicher Nahrung für den Menschen nutzbar wäre. Vom weltweiten Ackerland selbst werden wiederum über 70 % für die Erzeugung von Futtermitteln beansprucht. Die sogenannte „Veredelungswirtschaft“, also die Umwandlung pflanzlicher in tierische Nahrungsprodukte verschwendet riesige Bodenflächen sowie Wasser, Pflanzennährstoffe und fossile Energieträger.
3. Zerstörung der biologischen Vielfalt
Fleischkonsum beschleunigt das Artensterben. Riesige artenreiche Waldflächen werden gerodet, um Flächen für Weiden oder Futtermittel zu gewinnen. Im Amazonasgebiet dient ein Großteil der oft illegalen Regenwaldzerstörung der Schaffung von Weideland oder dem Anbau von Monokulturen für Futtermittel. Aufgrund der Abholzung von Regenwald verschwinden viele Tier- und Pflanzenarten für immer von unserem Planeten. Die Wälder haben darüber hinaus als „grüne Lungen“ der Erde eine wichtige Funktion für den globalen Wasser- und Sauerstoffhaushalt. Dem Anbau von Futtersoja fallen in Südamerika ebenso wertvolle Savannen zum Opfer. Auch in Deutschland schädigt der Fleischkonsum die Umwelt: Die intensive Landwirtschaft, besonders die industrielle Tierhaltung, fördert das Waldsterben und bedroht Flora und Fauna.
4. Hunger und Unrecht
Der Wettbewerb zwischen „Trog und Teller“ wird zu Lasten vieler Menschen in ärmeren Regionen ausgetragen. Er ist eine der Ursachen für den Welthunger. So führt die Nachfrage nach Mais, Soja und Weizen als Futtermittel zu steigenden Preisen dieser Grundnahrungsmittel am Weltmarkt. Die Menschen in den sogenannten Entwicklungsländern können sich die Grundnahrungsmittel dann nicht mehr leisten. Außerdem werden Kleinbauern teils unter erheblichen Menschenrechtsverletzungen von ihrem Land verdrängt. Der Platz wird für den Anbau von Futtermitteln beansprucht, um den maßlosen Fleischkonsum in den Industrieländern zu ermöglichen. Die riesigen Monokulturen belasten durch intensive Düngung, Wasserverschmutzung und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln die Umwelt und gefährden die Gesundheit der Bevölkerung.
5. Grausame Massentierhaltung
In Deutschland leben dem Bundesamt für Statistik zufolge derzeit etwa 12,7 Millionen Rinder, 28 Millionen Schweine und 67,5 Millionen Masthühner. Diese Zahl hat seit 2011 deutlich zugenommen, um 7,5 Prozent. Es gibt also wesentlich mehr Nutztiere als Menschen in Deutschland. Medien bezeichnen Deutschland immer wieder als „Schlachthaus Europas“: Das Land steht bei der Schweineschlachtung mit mehr als 58 Millionen getöteten Tieren pro Jahr auf Platz 1 der europäischen Spitzenproduzenten, beim Rindfleisch auf Platz 2. Auf dem größten Geflügelschlachthof Europas im niedersächsischen Wietze schlachtet eine Maschine 450 Tiere pro Minute.

Formen der Massentierhaltung (nach „Albert Schweitzer Stiftung, 2017):
– Die meisten Tiere werden gewaltsam den Haltungsformen angepasst: Hörner, Ringelschwänze, Schnäbel und z. T. auch Zähne werden ohne Betäubung gekürzt/abgetrennt; (die Hühnermast bildet eine Ausnahme, weil die Tiere so jung geschlachtet werden).
– Wesentliche Grundbedürfnisse der Tiere werden ignoriert und ihre Bewegungsfreiheit wird stark eingeschränkt.  Um die Tiere trotz unpassender Haltung leistungsfähig zu erhalten, ist eine häufig routinemäßige Abgabe von Antibiotika unvermeidlich geworden, was auch Gefahren für die menschliche Gesundheit mit sich bringt.

6. Gesundheitsrisiken
Wer täglich ein Hauptgericht mit rotem Fleisch isst, verkürzt seine Lebenserwartung und hat ein erhöhtes Risiko für Infarkt, Schlaganfall, Diabetes und diverse Krebsleiden. (Archives of Internal Medicine, 09/2012)
„Regelmäßiger Fleischkonsum trägt erheblich zum vorzeitigen Ableben bei“, sagt Harvard-Ernährungswissenschaftler Frank Hu. „Wer sich hingegen für gesündere Eiweißquellen entscheidet, hat gleich mehrere Vorteile davon und ist weniger gefährdet, chronisch krank zu werden oder gar früh zu sterben.“
Das Team aus Ärzten, Epidemiologen und Ernährungsexperten greift auf eine beeindruckende Datenbasis zurück, um seine Warnung zu untermauern. Die Forscher haben mehr als 37.000 Männer und 83.000 Frauen seit den 1980er Jahren beobachtet und immer wieder ihr Alltagsverhalten und ihre Ernährung analysiert.
Nach durchschnittlich fast 30 Jahren zeigte sich, dass die Sterblichkeit der Studienteilnehmer um 13 Prozent erhöht war, wenn sie täglich eine Hauptmahlzeit Fleisch zu sich nahmen – und sogar um 20 Prozent anstieg, wenn sie jeden Tag Wurst, Schinken oder zu Aufschnitt verarbeitetes Fleisch aßen.
Dass Infarkt, Schlaganfall, Gefäßverkalkung und Bluthochdruck häufiger bei Menschen auftreten, die oft und viel Fleisch essen, erklären Ärzte mit der vermehrten Aufnahme gesättigter Fettsäuren, aber auch mit einer erhöhten Zufuhr von Eisen und Salz durch tierische Nahrungsmittel. Um verarbeitetes Fleisch und Wurstwaren haltbar zu machen, werden Nitrite verwendet. Diese erhöhen das Diabetes-Risiko und beeinträchtigen zudem die Elastizität der Blutgefäße; beides trägt ebenfalls zur erhöhten Herzkreislaufgefahr bei. (Süddeutsche Zeitung, 10.09.2012)

Dass hoher Fleischkonsum nicht wirklich gesund sein kann, überrascht wenig.
Doch bislang gingen Experten und Wissenschaftler davon aus, dass der ungesunde Anteil von Wurst, Steaks und Co. bei der Ernährung von gesundheitsfördernden Komponenten wie Obst und Gemüse ausgeglichen werden kann. Doch dem ist nicht so, haben nun schwedische Forscher herausgefunden.
Wissenschaftler der medizinischen Universität Karolinska Institutet in Stockholm haben über 16 Jahre lang die Essgewohnheiten von mehr als 74.000 Menschen analysiert und die Auswirkungen von Fleischkonsum auf die Lebenserwartung untersucht. Dabei wurden die Personen je nach Durchschnittsmenge an täglich konsumierten Fleisch in fünf Gruppen eingeteilt.
Am Ende des Beobachtungszeitraums stellte sich heraus, dass die Sterberate in der Gruppe mit dem höchsten Fleischkonsum (über 117 Gramm pro Tag) um 21 Prozent höher lag als bei der Gruppe mit dem niedrigsten Fleischkonsum (unter 46 Gramm pro Tag)“, sagte Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE), gegenüber dem „ORF“. So traten Herzinfarkte und Schlaganfälle deutlich häufiger auf als bei Personen, die weniger Fleisch gegessen hatten.
Auch den Zusammenhang von ansonsten gesunder Ernährung durch Obst und Gemüse und die Wirkung von hohem Fleischkonsum wurde untersucht. Die bisherige Annahme, dass die Ernährung mit viel Obst und Gemüse die negativen Auswirkungen des Fleischkonsums ausgleichen könnten, wurde widerlegt. „Das heißt also: Zwei Wurstsemmeln oder ein Schnitzel am Tag reichen aus, um eine statistisch deutlich geringere Lebenserwartung zu haben, unabhängig davon, ob man sich sonst gesund ernährt und viel Obst und Gemüse isst“, sagte Widhalm zum „ORF“. (Stern, 16.01.2017)

Fazit: Es gibt keinen vernünftigen Grund für regelmäßigen Fleischkonsum, bis auf einen vielleicht: Es schmeckt mir halt! Allerdings, wie kann das angesichts der hier angeführten Argumente?

Bernd Riebe

Foto: Niush Sitaula, A logo of no entry with word meat to show support for vegatarianisms , CC BY-SA 4.0 

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