Willkommen im Paradies – Die vorbereitenden Arbeiten
Anika Gerlach gestaltet ein Gemälde für das Museum NRW Forum in Düsseldorf
Vom 27. August 2021 bis zum 9. Januar 2022 zeigt das NRW Forum in Düsseldorf einen Medienkunst – Parcours unter dem Titel „Willkommen im Paradies“. Auf mehr als 1200 Quadratmetern werden den BesucherInnen dieser Schau Installationen und virtuelle Realitäten präsentiert, die sie durchwandern und so erfahren können. Es gibt die Möglichkeit Aufgaben zu meistern und sich so mit den künstlerischen Arbeiten zu neuen Formen der Spiritualität, digitalen Ritualen und mit der Frage nach der Körperlichkeit im Virtuellen auseinanderzusetzen. So lädt die Ausstellung zu einer transformativen Kunst-und Selbsterfahrung ein, bei der die eigenen Emotionen und Fantasien auf Kunst, Fiktion, Technologie und Wissenschaft treffen. Am Ende des Parcours wartet vielleicht das Paradies.
Die BesucherInnen betreten freilich eine durchkuratierte Ausstellung, in der alles perfekt gestaltet wurde und nichts dem Zufall überlassen blieb. Doch um die Ausstellungsräume zu gestalten bedarf es des Engagements von geübten und künstlerisch begabten Menschen, die mit großem Einsatz und mit viel Kreativität den Rahmen für die VideokünstlerInnen schaffen.
Anika Gerlach gestaltete für die Schau „Willkommen im Paradies“ eine 18 Meter lange und vier Meter hohe Fantasielandschaft.
Die endlos erscheinende Leinwand bemalte sie in einem aufgelassenen Kaufhaus in Duisburg, das Platz genug bot, diese auf dem Boden auszubreiten. Hier legte die Künstlerin und gelernte Bühnenmalerin zuerst mittels Sprühpistole den Hintergrund des Bildes an, auf den sie eine Vorzeichnung aufbrachte. (Als Vorlage diente ihr ein am Computer konzipiertes Bild, von dem sie aber im Laufe ihrer Arbeit stark abwich.) Danach malte sie die Bäume, die sie den Bäumen nachempfand, die ihre Freunde von der PriseSalz Crew aus unterschiedlichen Materialien als große Skulpturen erarbeiteten. So ist zum Beispiel ein Baum zu sehen, um dessen nun nicht mehr sichtbaren Metallrohrstamm sich Feuerwehrschläuche in bunten Farben winden, in Erinnerung an die schweren Waldbrände im Süden Europas im Sommers 2021. Die Krone des Baums besteht aus Kartons, die an die Verwendung und Verschwendung von Holz für Papier und Pappe erinnert.
In Anika Gerlachs Gemälde ringeln sich Schläuche wie überdimensionierte Würmer um Baumstämme, hängen bunte Wimpel an Ästen, die wie Metallgestänge wirken und wachsen Blumen aus Felsen, deren Blütenblätter bunten Socken ähneln. Den Hintergrund für diese bizarre Landschaft aus Felsen, Bäumen und Pflanzen bildet ein lichter Wald mit teils bereits abgestorbenen Bäumen, durch den vereinzelt schräge Sonnenstrahlen fallen.
Aus einem Baumstamm, der wie ein gemütliches Holzhaus wirkt, ragt ein kaltes metallenes Abluftrohr und diverse Zahnräder erinnern an Werke des Schweizer Bildhauers des Nouveau Réalisme Jean Tinguely.
Nach ca. 70 Arbeitsstunden am liegenden Bild rollte Anika Gerlach ihre Arbeit auf und transportierte sie nach Düsseldorf in das NRW Forum. Dort wurde sie an der Wand befestigt. Die Aufgabe der Künstlerin war es nun, die Leinwand und ihren Bildinhalt mit der Wand des Museums verschmelzen zu lassen. Dafür malte und sprayte sie Verlängerungen der gemalten Bäume und legte einen Vordergrund aus wuchernden Blättern und Pflanzen an. Auch Teile der an tibetanische Gebetsfahnen erinnernden Wimpel malte sie auf die braune Wand des Museums. Zum Schluss holte sie malerisch Einzelheiten wie Blüten und Steine hervor, setzte mit hellen Farben Akzente und verstärkte mit schwarzen Linien die Konturen einzelner Elemente.
Die Atmosphäre im Raum war den ganzen Tag von Betriebsamkeit geprägt. Alle Beteiligten trugen einen Mund-Nasen-Schutz, was der anstrengenden Arbeit nicht gerade förderlich, wegen der Corona-Pandemie aber unvermeidlich war. Während draußen wunderschönes Wetter über dem Rheinland lag und die Sonne vom wolkenlosen Himmel auf Düsseldorf und den Rhein strahlte – eine Seltenheit im Sommer 2021 – war es im Raum, den es zu gestalten galt, dunkel und kühl. Der Kompressor, der die Sprühpistole antrieb, verbreitete einen sehr unangenehmen Geräuschpegel. Dazwischen war Hämmern auf Metall zu hören. Aus dem Nebenraum, wo vier Frauen in der Dunkelheit unter UV-Licht eine Wand bemalten, drang laute Rockmusik. Dort war man offenbar bester Stimmung. Die Männer der PriseSalz Crew diskutierten heftig, wie es gelingen könnte, die beiden Teile des Metallstamms der gut sechs Meter hohen Baumskulptur zusammenzumontieren. Schließlich gelang dies unter Mithilfe alle verfügbaren Personen. Doch dann musste der Baum aufgerichtet werden und die Diskussionen begannen erneut. Einige Male stellte der Chef der Crew den Kompressor aus, um sich mit seinen Leuten besser verständigen zu können. Das wiederum behinderte Anika Gerlach bei ihrer Arbeit, die unbedingt fertig werden musste.
Schließlich war es dann soweit. Anika sollte mit der fahrbaren Hebebühne, an der der Fuß der Skulptur mit starken Seilen befestigt war, den Baum in der Balance halten. Auf dem Fuß stand ein bärenstarkes Mitglied der PriseSalz Crew und sicherte den Stamm mit einem weiteren Seil. Der Rest der Mannschaft war hinter der Baumskulptur platziert und hatte die Aufgabe, die Krone nach oben zu wuchten. Niemand war sicher, ob diese auch wirklich unter der Decke des Raums hindurchgleiten würde. Wäre dies nicht der Fall, würden Teile der Krone unweigerlich abbrechen. Auf Kommando spannte Anika Gerlach das Seil und der junge Mann sicherte zusätzlich unter Aufwendung seiner ganzen Kraft. Die drei verbleibenden Männer und ich – die Autorin des Artikels – wuchteten den unglaublich schweren Baum in die Höhe, wobei wir nur an den Dachlatten der Konstruktion schieben durften. Nach und nach hob sich Baumskulptur in die Höhe, passierte die Raumdecke unbeschadet und stand schließlich aufrecht und konnte gesichert werden. Die Freude aller darüber war groß.
Anika Gerlach konnte sich freilich nicht lange damit aufhalten, den sehr eindrucksvollen Baum – einer von mehreren andern – zu bewundern. Sie musste dafür sorgen, dass ihr Gemälde fertig wurde. Schließlich war es geschafft, Schablonen wurden aufgehoben und sortiert, Farbeimer in Kisten gestellt, Pinsel ausgewaschen und angefangene Farben in Kartons zurückgestellt. Dann wurde die schwere Last in Kisten die Treppen hinuntergebracht und abtransportiert. Nach sieben langen Arbeitstagen mit je 14 bis 16 Arbeitsstunden war ihre letzte Aufgabe, die Sprühpistole zu reinigen. Eine sehr aufwendige Sache, die nach all der kräftezehrenden Arbeit am Gemälde nicht leicht fiel, aber natürlich erledigt werden musste.
Doch die Mühe hat sich gelohnt. Das Bild ist ein echter Hingucker und wird sicher den BesucherInnen der Ausstellung gefallen.
Text, Video und Fotos: © Xenia Marita Riebe
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