Klimawandel – Kippunkte als Point of no Return
Rückkopplungen und Kipppunkte gefährden die Stabilität unseres Klimas erheblich. Forschende verschiedener Institute, vor allem des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, haben untersucht, wie die einzelnen Kipppunkte ineinandergreifen – mit einem Ergebnis, das nur einen Schluss zuläßt: Es muss sofort gehandelt werden. Es könnte zu einem Dominoeffekt kommen, bei dem ein unumkehrbarer Wandel den nächsten anstößt mit verheerenden Folgen für unser gesamtes Ökosystem.

Was versteht man unter Kippunkte?
- Kippunkte (engl. tipping elements) sind natürliche Systeme, deren Zustand sich abrupt, unvermittelt und dauerhaft ändern kann, wenn bestimmte Schwellenwerte erreicht werden. Diese Änderungen können selbstverstärkend wirken und das globale Klimasystem in eine neuen dauerhaften Zustand überführen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit unser Ökosystem regional oder auch global erheblich belastet. Typischerweise sind diese Prozesse durch Nichtlinearitäten und Rückkopplungsschleifen gekennzeichnet und nur schwer vorherzusagen
- Kllimarelevante Kippunkte, die Folgen für das Ökosystem sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit
- Eisschilde der Antarktis und Grönland
„Wer sich mit den Eisschilden beschäftigt, hat es mit all diesen fatalen Zusammenhängen und Abhängigkeiten im Klimasystem zu tun. Meereis und Temperatur, Eisverlust und Meeresspiegelanstieg – ein Zahnrad greift ins andere. Rückkopplungen und Kipppunkte gefährden die Stabilität unseres Klimas erheblich. Forschende verschiedener Institute, vor allem des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, haben untersucht, wie die einzelnen Kipppunkte ineinandergreifen – mit beängstigendem Ergebnis. Sie warnen vor einem Dominoeffekt, bei dem ein unumkehrbarer Wandel den nächsten anstößt. Ausgangspunkt für eine solche Kippkaskade könnten die Eisschilde auf Grönland und der Westantarktis sein. Dann ändern sich die Strömungen im Atlantik, die wiederum Auswirkungen auf den Amazonasregenwald haben – und letztlich auf das Klima der gesamten Welt. Aus einer Studie eines Teams um Ricarda Winkelmann geht hervor, dass das Risiko dafür bereits bei einem Temperaturanstieg von 1,5 bis 2 Grad, wie ihn das Pariser Klimaabkommen als Maximum nennt, deutlich zunimmt. Und je weiter die Erderwärmung voranschreitet, desto wahrscheinlicher wird ein solches Szenario. Die Menschheit sollte alles tun, um das zu verhindern.“ Clemens Schannwell – Max Planck Institut - Durch den fortschreitenden Klimawandel schmelzen die Eisschilde Grönlands und der Antarktis.
In der Folge wird der Meeresspiegel bis 2100 um bis zu einen Meter ansteigen. Im Zusammenspiel von Klima und Eisschilden kann es zu Instabilitäten kommen, jenseits derer ein Eisschild unumkehrbar abschmilzt. Solche Kipppunkte werden noch erforscht, für die Westantarktis ist eine solche Schwelle aber möglicherweise schon überschritten. In der Arktis steigen die Temperaturen zwei- bis dreimal so schnell wie im globalen Mittel. Die hohen Temperaturen führen dazu, dass die Meereisbedeckung der Arktis sich von Jahr zu Jahr verringert. Auch hier wirkt ein klassischer Rückkopplungseffekt: Die Albedo wird immer niedriger, d.h. die immer kleiner werdende Eisfläche reflektiert immer weniger Sonnenstrahlung und das freiwerdend dunkle Meerwasser erwärmt sich zunehmend, was den Schmelzvorgang wiederum beschleunigt. Auch das Grönlandeis schmilzt dramatisch mit weltweiten Folgen. Wie kritisch die Situation ist, hat sich am 14. August 2021 gezeigt: An diesem Tag meldete die am höchsten gelegene Wetterstation Grönlands, dass es regnete. Das hatte es hier seit Beginn der Wetteraufzeichnungen noch nie gegeben – 3216 Meter über dem Meer. Das Eis schmolz auf der gesamten Insel. Auf dem Höhepunkt der Hitzewelle 2021 verlor der Eispanzer gut 12 Milliarden Tonnen, also etwa 12,5 Kubikkilometer, an einem einzigen Tag. Beim Grönlandeis ist noch ein Rückkopplungseffekt von Bedeutung. Schmilzt das Eis an der Oberfläche, verringert sich die Höhe,was wiederum höhere Temperaturen bedeutet, die den Schmelzprozess weiter beschleunigen. - Antarktis
In der Antarktis, wo über die Hälfte des Süßwassers der Erde im Eis gebunden ist, sieht es ähnlich prekär aus. Allein im Hitzesommer 2019 schmolzen in der Antarktis 168 Milliarden Tonnen, wie die Ice Sheet Mass Balance Intercomparison Exercise angibt. Nach deren Berechnung haben die Eisschilde von Antarktis und Grönland zwischen 1992 und 2020 insgesamt 7560 Milliarden Tonnen Eis verloren. Dadurch ist der Meeresspiegel um 21 Millimeter gestiegen, wobei Grönland den größten Teil, rund 13,5 Millimeter, beigesteuert hat. Noch trägt die Ausdehnung des Wassers durch die Erwärmung zum Meeresspiegelanstieg mehr bei als die Gletscherschmelze, in diesem Zeitraum waren es rund 35 Millimeter. Das Verhältnis könnte sich jedoch bald umdrehen. Die Veränderungen betreffen weltweit rund 300 Millionen Menschen: Sie leben in Regionen, die weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel liegen. Millionenstädte wie New York oder Djakarta, Shanghai oder Amsterdam sind gefährdet. Dazu kommt, dass mit dem Klimawandel die Stürme an Gewalt zunehmen und die Wellen tiefer ins Land treiben, sodass jeder Zentimeter Meeresspiegelanstieg gewissermaßen doppelt zählt. - Permafrost-Tauprozesse
Freisetzung von Methan und CO2 aus auftauendem Permafrost kann zusätzliche Treibhausgase in die Atmosphäre abgeben, was weitere Erwärmung verstärkt. - Abruptes Auftauen des Permafrostbodens
Schätzungsweise rund tausend Milliarden Tonnen Kohlenstoff sind in den oberen drei Metern des gefrorenen Bodens gespeichert. - Kipppunkt und Kippprozess
- Abruptes Auftauen:
Durch die Zersetzung der Oberflächenschicht werden tiefere Bodenschichten dem Auftauen und der Zersetzung ausgesetzt, wodurch die Bildung von Thermokarst beschleunigt wird. Obwohl es sich hierbei um einen lokalen Prozess handelt, könnte er auf subkontinentaler Ebene fast synchron ausgelöst werden. - Temperaturschwellen & Zeiträume
Die Temperaturschwelle für diese Art von Kipppunkt wird auf 1,5 °C (1–2,3 °C) geschätzt, mit einem Zeitraum von 200 Jahren (100–300 Jahren). - Auswirkungen
Im Vergleich zum allmählichen Auftauen könnte ein abruptes Auftauen die Kohlenstoffemissionen aus Permafrostböden um 50–100 % erhöhen und möglicherweise einen großflächigen Zusammenbruch des borealen Permafrosts auslösen (siehe unten). In jedem Fall würde das Auftauen des Permafrosts erheblich zur globalen Erwärmung und damit zu den damit verbundenen Risiken beitragen, von extremen Wetterereignissen bis zum Anstieg des Meeresspiegels. - Permafrost Kollaps
Der arktische Permafrost, der seit Jahrhunderten oder sogar Jahrtausenden gefroren ist, befindet sich in Sibirien und Nordamerika. Diese „Yedoma-Böden” liegen mehr als drei Meter unter der Oberfläche und enthalten vermutlich viele weitere Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Würden sie auftauen, könnten große Mengen der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan freigesetzt werden. - Kipppunkt & Kippprozess
Diese Gasverbindungen stammen aus organischem Material, das während der letzten Eiszeit gespeichert wurde. Die durch die mikrobielle Zersetzung der Kohlenstoffverbindung verursachte Wärme beschleunigt das Auftauen und den Abbau des Bodens. - Temperaturschwellenwerte und Zeiträume
Ein Schwellenwert könnte laut den (relativ wenigen) Schätzungen bei etwa 4 °C (3–6 °C) erreicht werden. Der Zeitraum für den Kipppunkt beträgt 50 Jahre (10–300 Jahre). - Auswirkungen:
Die freigesetzten Kohlenstoffverbindungen könnten zu einer zusätzlichen globalen Erwärmung von 0,2–0,4 °C führen.- Nordische (boreale) Nadelwälder
- Fast ein Drittel der weltweiten Waldgebiete entfallen auf die nordischen Nadelwälder. Die Wälder dieser “Taiga” werden durch die Klimakrise verändert: Durch die Erwärmung breiten sie sich einerseits nach Norden aus, ziehen sich andererseits im Süden zurück. Im Norden entstehen durch die dunklen Wälder so Flächen, die vorher von hellem Eis und Schnee bedeckt waren und das Sonnenlicht reflektiert haben. Bei den dunklen Flächen fehlt diese “Albedo” und so verstärkt sich die Erdererhitzung. Im Süden gibt es mögliche Kipppunkte, wenn zunehmende Waldbrände und Borkenkäferbefall das Sterben der Wälder beschleunigen. Wo der Nadelwald verschwindet, bleiben im Süden Steppen und Prärien, die weniger Kohlenstoff binden. Der durch Waldverluste freigesetzte Kohlenstoff heizt die Klimakrise weiter an.
Der Weltklimabericht 2021/2022 verdeutlicht Veränderungen im Zusammenhang mit Waldbränden und deren potenziellen Einfluss auf das Klima. In den letzten 100 Jahren haben feuerfördernde Wetterbedingungen in Regionen wie den USA, Nordeuropa und Nordasien zugenommen. Dies beeinflusst die Verfügbarkeit von Wasser negativ, das für das Pflanzenleben und die Kohlendioxid-Speicherung essenziell ist. Mit einer globalen Erwärmung von zwei Grad Celsius könnten Waldbrände in Russland und anderen Regionen zunehmen, was die CO₂-Emissionen beeinflussen würde.
Die Verlängerung der Waldbrandsaison und die Ausbreitung von Bränden werden durch die Arktiserwärmung und daraus resultierende Trockenheit vorhergesagt. Diese Brände könnten sogar die baumlose Tundra betreffen. Eine Verschiebung des Nadelwaldes nach Norden könnte die Arktis weiter erwärmen, da bewachsene Flächen mehr Sonnenenergie absorbieren als schneebedeckte Gebiete.
Das abrupte Sterben von Lebewesen und der potenzielle Kipppunkt der Borealwälder könnten zu massivem Waldsterben führen. Einige dieser Veränderungen könnten durch die Verschiebung von Waldzonen und das Vorrücken südlicher Baumarten abgefedert werden. Doch die Regeneration des Ökosystems würde Jahrhunderte dauern. Dies könnte eine immense Herausforderung darstellen, besonders da die Ausbreitung des Waldes am Arktischen Ozean an seine Grenzen stoßen würde.
Bei der Abschätzung der Kippunkte sollten zwei Bereiche unterschieden werden: Die Ausdehnung im Norden und das Geschehen im Süden.
- Ausdehnung nach Norden
Aufgrund der Erwärmung können sich die Wälder an ihrer nördlichen Peripherie abrupt ausdehnen und dadurch normalerweise sehr helle und reflektierende Schneeflächen bedecken – was die Erwärmung der Arktis beschleunigt. Dunkle Oberflächen absorbieren mehr Energie, helle Oberflächen reflektieren mehr Sonnenlicht. - Temperaturschwellen und Zeiträume
Eine genaue Schwelle lässt sich noch nicht zuverlässig bestimmen.
Die beste Schätzung liegt bei 4 °C (1,5–7,2 °C) mit einem Zeitraum von 100 Jahren (mindestens 40 Jahren). - Auswirkungen des Kippens
Einerseits wird durch die Zunahme der Vegetation mehr CO2 gebunden. Andererseits verdunkelt sich die Oberfläche, sodass insgesamt die globale Erwärmung verstärkt würde. - Destabilisierung im Süden
Boreale Wälder können in größeren Gebieten (~100 km) an ihrer südlichen Peripherie destabilisiert werden, als Folge von durch die Erwärmung verursachten hydrologischen Veränderungen, häufigeren Bränden und Borkenkäferbefall. - Temperaturschwellen und Zeiträume
Die beste Schätzung für eine Schwelle liegt bei 4 °C (1,4–5 °C) mit Zeiträumen von 100 Jahren (mindestens 50 Jahren). - Auswirkungen des Kippens
Die Wälder werden durch grasdominierte Steppen/Prärien ersetzt. Der freigesetzte Kohlenstoff und die veränderte Umwelt könnten zu einer zusätzlichen globalen Erwärmung von etwa 0,2 °C beitragen. - AMOC/Atlantic Meridional Overturning Circulation
Die Umwälzströmung im Atlantik gleicht einem riesigen Förderband, das warmes Oberflächenwasser nach Norden transportiert und, nachdem es sich in hohen Breitengraden abgekühlt und abgesunken ist, kaltes Tiefenwasser nach Süden. Sie wird als „thermohaline Zirkulation” bezeichnet, da sie durch Temperaturunterschiede und Unterschiede im Salzgehalt angetrieben wird. Der Golfstrom, der für das milde Klima im Nordwesten Europas verantwortlich ist, ist Teil dieses großräumigen Systems atlantischer Strömungen. - Kipppunkt & Kippprozess
Einer seiner Hauptantriebe ist das kalte, dichte (und daher schwere) Salzwasser, das in der Nähe von Grönland und der Küste Labradors absinkt. Wenn die Menge an Süßwasser aus schmelzendem Eis in den nördlichen Breitengraden zunimmt, könnte diese Tiefenwasserbildung aufhören und den Antrieb der Zirkulation verlangsamen. - Temperaturschwellenwerte und Zeiträume
Wissenschaftliche Erkenntnisse deuten auf einen Temperaturschwellenwert von 4 °C (1,4–8 °C) mit einem Zeitraum von 50 Jahren (15–300 Jahren) hin. - Auswirkungen des Kipppens
Es gibt schwerwiegende Auswirkungen auf Temperatur- und Niederschlagsmuster: Erwärmung der südlichen Hemisphäre, eine Verschiebung der intertropischen Konvergenzzone nach Süden, Abschwächung des Monsuns in Afrika und Asien, Verstärkung in der südlichen Hemisphäre, was zu einer Austrocknung der Sahelzone und Teilen des Amazonasgebiets führt, sowie eine Verringerung der natürlichen Kohlenstoffsenken. Dies kann auch zu einer Abkühlung im Nordatlantik führen – allerdings hat dies keine wesentliche Verringerung der globalen Erwärmung zur Folge, da die verschiedenen Prozesse so miteinander interagieren, dass die daraus resultierenden Erwärmungs- und Abkühlungseffekte nicht einfach addiert werden können. - Tropische und subtropische Korallenriffe
Tropische und subtropische Korallenriffe gehören zu den Ökosystemen mit der weltweit höchsten Artenvielfalt. Sie haben einen enormen Einfluss auf das marine Nahrungsnetz, den Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf im Ozean und sind für das Wohlergehen von Millionen von Menschen weltweit von entscheidender Bedeutung. So bieten sie beispielsweise Küstenschutz und sind wichtig für den Tourismus. - Kipppunkt und Kippprozess
Absterben: Korallenriffe sind durch eine Vielzahl menschlicher Einflüsse bedroht, darunter Überfischung, direkte Schäden, Sedimentation und Ozeanversauerung. Wenn jedoch die Wassertemperaturen einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, stoßen Korallen ihre symbiotischen Algen ab, was zu einer Bleiche und schließlich zum Absterben der Korallen führt. - Temperaturschwellen und Zeiträume
Die Schwelle für ein weitreichendes Absterben wird auf 1,5 °C (1–2 °C) geschätzt. Der Prozess könnte sich über einen Zeitraum von zehn Jahren vollziehen. - Auswirkungen des Kippens
Alle oben genannten Ökosystemleistungen der Korallenriffe gehen mit dem Absterben verloren. - Der Amazonas-Regenwald
Der Regenwald in Südamerika ist ein Element der Biosphäre, das aufgrund des Wasser- und Kohlenstoffkreislaufs eine wichtige Rolle im gesamten Erdsystem spielt. - Kipppunkt und Kippprozess
Ein großer Teil der Niederschläge im Amazonasbecken stammt aus Wasser, das über dem Regenwald verdunstet. Ein wärmeres globales Klima mit rückläufigen regionalen Niederschlägen in Kombination mit Entwaldung und Waldbränden könnte den Regenwald an eine kritische Schwelle bringen. - Temperaturschwellen & Zeiträume
Die derzeit beste Schätzung aus einem teilweise unklaren wissenschaftlichen Konsens liegt bei etwa 3,5 °C (2–6 °C) – jedoch ohne den Einfluss der Abholzung. Der Zeitraum für das Absterben könnte bei etwa 100 Jahren (50–200 Jahren) liegen. - Auswirkungen
Eine Umwandlung des Amazonas-Regenwaldes in einen saisonalen Wald, der an trockenere Bedingungen angepasst ist, oder in Grasland hätte grundlegende Auswirkungen auf das globale Klima, da hier etwa 25 % des globalen Kohlenstoffaustauschs zwischen Atmosphäre und Biosphäre stattfindet. - Es gibt noch andere mögliche Kippelemente, die sich selbst verstärkende Prozesse aufweisen, aber sie haben entweder kein Schwellenverhalten oder zeigen nur lokale, aber keine großräumigen synchronisierten Kippvorgänge. Dazu gehören das allmähliche Auftauen des borealen Permafrostbodens, der Verlust des arktischen Sommermeereises, die Schwächung der globalen Kohlenstoffsenke an Land und im Ozean, die Schwächung der biologischen Kohlenstoffpumpe im Ozean und die Auflösung von marinen Methanhydraten.
- Fazit
Kipppunkte sollten nicht mehr nur als rein klimatisches Problem gesehen werden. Die Veränderung, meist Erhöhung regionaler Temperaturen, die örtliche Verschiebung von Temperaturzonen und die damit einhergehenden Veränderungen von Niederschlägen bleiben nie ohne Folgen für die Ökosysteme und ihre Artenvielfalt. Die bislang dokumentierten Kippelemente sind daher in vielen Fällen nicht nur Kipppunkte des Klimas, wie etwa die Gletscher und Eisschilde, nach deren Verlust die Temperaturen noch schneller steigen werden. Es sind auch Kipppunkte der Biodiversität, wenn etwa der Verlust der Wälder auch den Verlust der darin enthaltenen Tiere, Pflanzen und Pilze nach sich zieht, oder, wie bei den Korallen, das gesamte Nahrungsnetz der Meere beeinflusst. Oft gehen mit den Ökosystemen und ihrem Artenreichtum auch stabilisierende Faktoren für das Erdklima verloren, was die Klimakrise weiter beschleunigt. Der Klimwandel – verursacht durch die nach wie vor unverändert hohen Treibhausgas- Emissionen – bedroht unser gesamtes Ökosystem in zunehmenden Maße: Die schon heute spürbaren Auaswirkungen wie häufigere und intensivere Hitzewellen und Dürren, zunehmende Starkniederschläge und Überschwemmungen, schmelzende Gletscher und eine Erhöhung des Meeresspiegels. Diese Veränderungen bedrohen Ökosysteme, die Artenvielfalt und die menschliche Gesundheit, führen zu Wasserknappheit und beeinträchtigen Landwirtschaft sowie Infrastruktur.
Die Klimakrise ist zunehmend auch eine soziale und sicherheitspolitische Bedrohung. Eine aktuelle Studie unterstreicht die Bedeutung schnellen Handelns: - „Die von uns abgeleiteten Wahrscheinlichkeiten für das Auslösen von Klimakipppunkten sind höher als die Schätzungen aus der häufig zitierten Expertenbefragung von Kriegler et al. (2009). Dies lässt sich durch aktuelle Erkenntnisse über die Nähe von Klimakipppunkten erklären, die zu niedrigen Schätzungen der jeweiligen Schwellenwerte führen.“
Deutloff, J., Held, H., and Lenton, T. M.: High probability of triggering climate tipping points under current policies modestly amplified by Amazon dieback and permafrost thaw, Earth Syst. Dynam., 16, 565–583, https://doi.org/10.5194/esd-16-565-2025, 2025 - Die Auswirkungen werden mit jedem Zehntel Grad globaler Temperaturerhöhung stärker und zwar nicht linear sondern exponentiell zunehmend. Durch Kippunkte getriggert drohen dramatische teils unumkehrbare Veränderungen des Weltklimas mit ebenso dramtischen Folgen für das gesamte Ökosystem. Nur eine sofortige drastische Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen kann diese Entwicklung stoppen bzw. verlangsamen.
- Netto Null Emissionen: Klima gerettet?
Um Netto-Null zu erreichen braucht es eine Kombination aus der Reduzierung von Treibhausgasemissionen und der aktiven Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre durch natürliche Senken (wie Wälder) oder Technologien wie Carbon Catching etc.
Die IPCC Modellsimulationen zeigen allerdings, dass selbst bei einer starken Abnahme der Emissionen (Szenario SSP1-2.6) noch lange nicht das angestrebte Temperaturniveau erreicht wird. Der Temperaturverlauf folgt der atmosphärischen Konzentration von CO2, und nicht der Emission. Und die Konzentration steigt bei dem niedrigen Szenario SSP1-2.6 trotz abnehmender Emission über mehrere Jahrzehnte zunächst weiter an. - Selbst wenn die modellierten Emissionen bereits ab 2025 von fast 40 Gt CO2/Jahr kontinuierlich bis gegen Ende des Jahrhunderts auf null zurückgehen, ist der Wendepunkt bei den Konzentrationen erst 30 Jahre später um die Mitte des Jahrhunderts erreicht und liegt 2100 etwas über dem Wert von 2020. Die Temperatur folgt der Konzentration mit einer Verzögerung von nochmals zwei Jahrzehnten, nimmt aber auch dann nur leicht ab. Das bedeutet, dass es mindestens 100 Jahre dauert, bis das heutige Temperaturniveau wieder erreicht werden könnte. Dies ist eine rein theoretische Überlegung, da noch ohne Berücksichtigung der Kippunkte und mit den o.a. vielfältigen Folgen.
- Der Grund für die verzögerte Reaktion der Konzentration von Kohlendioxid auf die Emission sind die lange Verweilzeit von CO2 in der Atmosphäre und der Austausch von CO2 zwischen Atmosphäre, Landvegetation und Ozean. Und nicht zuletzt bedingt durch das Erreichen der o.a. Kippelemente wird das Klima nicht wieder in den alten Zustand zurückkehren, die Änderungen sind also irreversibel.
Bernd Riebe SEP 2025 - References:
Potsdam Institute for Climate Impact Resrarch1. Lenton, Timothy M., et al. „Climate tipping points—too risky to bet against.“ Nature, (2019): 592-595. 2. Wunderling, N., Donges, J. F., Kurths, J., & Winkelmann, R.. „Interacting tipping elements increase risk of climate domino effects under global warming.“ Earth System Dynamics, 12(2),(2021): 601-619. 3. Steffen, Will, et al. „Trajectories of the Earth System in the Anthropocene.“ Proceedings of the National Academy of Sciences 115.33 (2018): 8252-8259. 4. Lenton, Timothy M., and Hans Joachim Schellnhuber. „Tipping the scales.“ Nature Climate Change 1.712 (2007): 97-98. 5. Lenton, Timothy M., et al. „Tipping elements in the Earth’s climate system.“ Proceedings of the national Academy of Sciences 105.6 (2008): 1786-1793. 6. Armstrong McKay et al. “Exceeding 1.5°C global warming could trigger multiple climate tipping points.” Science 377(6611), (2022) .
Gut, dass ich diesen Artikel gelesen habe. Jetzt habe ich verstanden, wie gefährlich es ist, weiter CO2 zu emittieren, weil es noch ewig lang in der Atmosphäre bleibt und das Klima negativ beeinflusst. Dass das CO2 so langfristig wirkt ist für mich erschreckend. Ich hoffe, dass die Politik endlich Rahmenbedingungen schafft, um dem entgegenzuwirken.