Mit dem Rucksack nach Marokko – Teil I

Von nasser Wäsche, feuchten Bergen und freundlichen Menschen

Neulich, das ist ja ein ziemlich dehnbarer Begriff, machten Bernd und ich uns auf, zu einer Reise nach Marokko. Da Bernd aber ein wenig Erholung von seinem anstrengenden Job brauchte, planten wir auf dem Weg dorthin einen Aufenthalt in einem Ferienhaus in den Pyrenäen ein.
Wir starteten unsere Reise an der belgischen Küste, wo wir zu dieser Zeit ein Ferienhaus hatten, das wir vermieteten. Am Tag vor unserer Abreise putzte ich das Haus und auch die Fenster. Ich zog die Betten ab und stopfte alle Wäsche in einen Müllbeutel. Auch ein paar Kleidungsstücke von Bernd waren dabei, alte Unterhosen, die er beim Anstreichen eines Zimmers und beim Joggen am Strand getragen hatte, seine Sportkleidung und ein paar ziemlich verschmutzte Stofftaschentücher mit Farbflecken. Bernd neigt dazu, alles und jedes mit seinen Taschentüchern zu putzen und abzuwischen. Dementsprechend sehen sie manchmal aus. All dies wollte ich im Ferienhaus in den Pyrenäen waschen, wo es eine Waschmaschine gab. In Belgien hatte ich keine Zeit mehr dazu und ich wollte die Wäsche nicht wochenlang schmutzig liegen lassen. Wir stellten den Müllbeutel zusammen mit unseren Rucksäcken auf die Ladefläche unseres Opel Astra Kombi und begannen unsere Reise frohgemut in Wenduine, einem Nachbarort von De Haan.
Die Fahrt führte uns über Ostende, Lille, Amiens, Rouen, Le Mans, Tours und Bordeaux nach Arcachon und von dort über Bayonne und Pau nach Lourdes. Von Lourdes mussten wir auf schmalen Straßen weiterfahren und bogen zuletzt in einen Feldweg ein, der uns zu unserem Ferienhaus brachte. Es regnete.
Das Haus lag sehr einsam inmitten der Pyrenäen. Es war groß und alt und alles ringsum atmete eine kalte Feuchtigkeit. Obwohl wir Juni hatten. Mein erster Gedanke war; umkehren!
Dieser Gedanke verließ mich während unseres 6 tägigen Aufenthaltes beinahe nie. Sommerferien hatte ich mir ein wenig anders vorgestellt und eigentlich waren wir ja auch nur in dieser Waschküche Pyrenäen gefangen, weil Bernd sich durchaus erholen wollte. Ich wollte reisen. Nach Marokko.
Das Ferienhaus war ungemütlich und kalt. Es war mit Jugendherbergsmöbeln notdürftig eingerichtet und ein wenig schmuddelig. In der Küche stand ein großer einfacher Holztisch mit Bänken ohne Lehnen, an dem gut und gerne 15 Leute Platz fanden. Gekocht wurde auf Gas, was ich hasse. Der Regen klopfte pausenlos im Duett mit den Zweigen der dunklen Tannen an die Scheiben. Es war trostlos. Spinnen gab es auch.

Gut, ich gebe zu, dass ich vielleicht ein wenig schwarzmale. Es gab auch hin und wieder ein paar Stunden Sonne, die wir mit kurzen Wanderungen in den Parc national des Pyrées verbrachten. Ich erinnere eine wunderschöne Bergwiese, mit Abertausenden bunten Blumen und einer Vielzahl von Insekten, verschwiegene Wege, mit knorrigen Bäumen und einen Adler, der ruhig am blauen Himmel kreiste. Und kleine süße Walderdbeeren.
Das Beste am Ferienhaus aber war, dass es tatsächlich eine Waschmaschine gab und diese auch funktionierte. So nutzte ich einen Tag, der sonnig begann, dazu, unsere mitgebrachte Schmutzwäsche zu waschen. Dass dies ein Fehler war, konnte ich nicht ahnen.
Kaum war die Wäsche „sauber“ – sie zeigte immer noch deutliche Schmutzspuren, vor allem die alten Küchen- und Taschentücher – begann es zu erneut regnen. Mein Plan, die Wäsche draußen auf der Leine zu trocknen, war damit passé. Zum Glück hatten wir eine Wäscheleine im Auto – der erfahrene Reisende führt so etwas mit sich – und die spannten wir nun im Wohnzimmer auf. Um die Wäsche in der feuchten Kälte des Hauses trocken zu bekommen, heizte Bernd den offenen Kamin an. Kaum brannte darin ein dickes Holzscheit, als sich das ganze Zimmer mit beißendem Rauch füllte. Bernd fand den Fehler, öffnete eine Belüftungsklappe und entließ den Rauch in die kalte Bergwelt. Was für einen gemütlichen Abend verbrachten wir – es war unser letzter in diesem Haus – frierend zwischen Leinen voller nasser Wäsche in ungemütlichen Sesseln! Gottlob hatten wir Rotwein!
Am nächsten Morgen war unsere Wäsche noch ziemlich feucht. Wir nahmen sie ab und steckten sie zurück in den Müllsack. Da wir aber unser Auto in San Sebastian für vier Wochen zurücklassen wollten, suchten wir nach einer Möglichkeit, die Wäsche vorher zu trocknen. Da fiel uns ein, dass es in Ferienorten immer einen Waschsalon gib und so machten wir uns auf den Weg Biarritz. Kaum erreichten wir die französische Atlantikküste, empfing uns das herrlichste warme Sommerwetter. Wir durchfuhren in Biarritz beinahe jede Straße, fanden aber keinen Waschsalon. So machten wir einen ausgedehnten Strandspaziergang, der uns nach der feuchten Kälte in den Bergen sehr gut tat. Abends suchten wir ein kleines Hotel auf, um dort die Nacht zu verbringen. An der Hotelbar trafen wir einen Französisch sprechenden Engländer, mit dem wir ins Gespräch kamen. Wir fragten, ob er einen Waschsalon kenne und erzählten ihm von unserer nassen Wäsche. Er erbot sich auch sofort, mit der Besitzerin des Hotels zu sprechen, die er gut kannte, und sie zu bitten, die Wäsche für uns in den Trockner zu legen. Wir dankten vielmals und gaben unsere Wäsche ab, zuversichtlich, das leidige Problem endlich gelöst zu haben. In dem Hotel verbrachten wir eine angenehme Nacht. Nach einem typisch französischen Frühstück bezahlten wir und bekamen von der Wirtin unseren Müllbeutel zurück. Wir zahlten für das Trocknen und bedankten uns für die Freundlichkeit.
Als ich jedoch den Sack entgegennahm, kam er mir merkwürdig schwer vor. Ich legte ihn wieder auf die Ladefläche des Astras und öffnete ihn, um nachzusehen, ob sich darin tatsächlich unsere Wäsche befand. Ich griff hinein und hatte ein klatschnasses Bettlaken in der Hand.
„Oh nein!“, stöhnte ich auf. „Die verdammte Wäsche ist ja nasser als vorher!“
Und tatsächlich hatte die nette Hotelbesitzerin die Wäsche gewaschen, anstatt sie zu trocknen. Nun war unser Problem nicht nur immer noch da, sondern es hatte sich sogar verschlimmert.
Nichtsdestotrotz machten wir uns auf nach San Sebastian, der baskischen Stadt jenseits der französisch/spanischen Grenze.
Wir fanden ein Zimmer im Tryp San Sebastian Orly Hotel.
Schon beim Einchecken fragte Bernd an der Rezeption in seinem besten Spanisch, ob es eine Möglichkeit gäbe, ein wenig Wäsche zu trocknen. Man bejahte dies und kurze Zeit später holte ein Hotelboy unseren Wäschesack ab und verschwand damit.
Wir gingen inzwischen zum Bahnhof, um nachzusehen, wo und wann unser Zug nach Ronda abfahren würde, für den wir für den nächsten Tag zwei Plätze reserviert hatten. Wir wollten auch auskundschaften, wo wir unseren Wagen für die nächsten 4 Wochen abstellen konnten. Allerdings erschien uns die Bahnhofsgegend zu unsicher, und wird beschlossen, den Opel in der Tiefgarage des Hotels stehenzulassen. Dort war er wenigstens sicher und wir konnten davon ausgehen, dass wir ihn unbeschadet wieder vorfinden würden. Dass wir bei der Einfahrt in die Garage ein Parkticket gezogen hatten, war uns irgendwie entfallen.
Wieder zurück auf dem Zimmer klopfte es an die Tür und eine Frau in einer weißen Schürze trat ein. Sie trug einen ausladenden flachen Weidenkorb in der Form eines Fächers auf dem Arm und konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Sie brachte unsere Wäsche und erwartete ein Trinkgeld, das wir ihr bereitwillig gaben.
Doch was war mit unserer Wäsche geschehen?
Sie lag ordentlich gebügelt auf dem Weidenkorb. Gebügelte Unterhosen mit Farbspuren und Löchern, verfärbte und ausgefranste Taschentücher, Küchenhandtücher mit Spuren von schwarzen Streifen, alte verfärbte Lauf-T-Shirts und eine Sporthose. Nur die Bettwäsche – wenigstens diese war in einwandfreiem Zustand – brachte die Wäscherin in einem Stoffbeutel mit dem Aufdruck des Hotels. Obenauf lag die Rechnung. Sie lautete auf Trocknen und Bügeln von 18 Wäschestücken und betrug 180,- €.
Mir wurde schlagartig schlecht, und das nicht nur wegen der Blamage, die wir durch die verschlissenen Wäschestücke erlitten hatten. Bernd wollte die Rechnung nicht akzeptieren, denn er hatte nicht verlangt, dass die Wäsche gebügelt werden sollte. Sie sollte nur endlich getrocknet werden und weiter nichts! So machte er sich auf zum Hotelmanager und verhandelte mit ihm solange, bis er die Rechnung auf 70,- € gedrückt hatte. Auch noch ein stolzer Preis für die Benutzung eines Wäschetrockners für max. eine Stunde. Na ja, das mussten wir nun als Lehrgeld verbuchen.
Am nächsten Morgen brachen wir trotz allem gut gelaunt auf – diesmal ohne Wäschebeutel, den wir im Auto ließen – zu unserer 19-stündigen Zugfahrt nach Ronda in Andalusien.
Was wir dort und bei meinem Freund Louis in Marbella erlebten, erzähle ich im Teil II der Marokkoreise.

Text und Fotos: © Xenia Marita Riebe

Mit dem Rucksack nach Marokko – Teil 2

Mit dem Rucksack nach Marokko – Teil 3

“World Press” Blatt 59 –  Spain – © Xenia Marita Riebe

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