Antarktis: Drei Buckelwale spielen mit unserem Schlauchboot!
Buckelwale sind einsame Wanderer, die tausende Kilometer im Laufe eines Jahres zurücklegen, dabei den Äquator mehrfach überqueren, um sich dann im Sommer der Südhalbkugel bzw. Nordhalbkugel in den polaren Gewässern aufzuhalten. Dort finden sie ein reichliches Angebot ihrer Lieblingsspeise, Krill, den sie gleich tonnenweise täglich verschlingen. Der Buckelwal macht beim Abtauchen einen Buckel, daher der Name, und seine gewaltige Schwanzflosse taucht dabei ganz aus dem Wasser, zur Freude aller „Whale Watchers“ Er wird bis 18m lang bei einem Gewicht von über 20t.
Ich war im Februar, also im antarktischen Sommer, unterwegs mit einem russischen Schiff, das englische Wissenschaftler und auch ein paar Touristen zu einigen Forschungsstationen entlang der Antarktischen Halbinsel brachte. Ich erhoffte mir einige brauchbare Filmaufnahmen von dieser Reise, Wale standen eigentlich nicht auf dem Programm.
An einem sehr ruhigen, grauen Tag mit leichtem Schneefall in der Gerlache Strait nördlich der antarktischen Halbinsel, waren wir mit einigen englischen Biologen in zwei Zodiacs (Schlauchbooten) unterwegs, um u.a. Proben von Krill zu nehmen. Vielleicht, hieß es, zeigt sich auch mal ein Wal. Obwohl ich dieser vagen Vermutung kaum Bedeutung schenkte, nahm ich meine Kamera mit – you never know – leicht belächelt von den übrigen Passagieren. Stehend im schwankenden Schlauchboot und unsichtiges Wetter sind nun nicht gerade die besten Bedingungen für gute Aufnahmen. Bald trieben wir motorlos in kaum wahrnehmbarer Bewegung zwischen bizarren Eisbergen dahin, die das Einheitsgrau der Umgebung mit ihren tiefen Blautönen durchdrangen. Es herrschte absolute Stille.
Dann plötzlich ein Geräusch! Mein erster Gedanke war, da schnaubt ein Pferd! Die Abwegigkeit dieser Empfindung wurde überdeutlich beim Anblick eines riesigen Körpers, der einem Flusspferd ähnelnd, in langsamen Drehbewegungen etwa 100m vor unserem Boot, dahintrieb. „Wow! This must be a huge humpback!“ hörte ich Christian, einen britischen Biologen, rufen. Ein ausgewachsener Buckelwal also schien in unmittelbarer Nähe. Die fast spiegelglatte Meeresoberfläche zeigte nun an mehreren Stellen Wellenbewegungen. Dann in fast synchronen Bewegungen durchpflügen drei riesige Buckelwale das Wasser um uns herum. Die Wale umkreisten uns erst ein paar Mal und tauchten dann ganz plötzlich ab, dabei ihre gewaltigen Schwanzflossen spektakulär aus dem Wasser hebend. Wir beglückwünschten uns zu dieser unerwarteten Vorführung und waren gerade im Begriff, den Motor anzuwerfen und auf das wartende Mutterschiff zuzuhalten, als unsere drei Gesellen, einer nach dem anderen, wieder auftauchten.
Diesmal boten sie uns ein wirklich einmaliges Schauspiel, das ich nie vergessen werde. Die Wale schwammen einzeln auf unser Boot zu, stießen ihre Wasserfontänen in unmittelbarer Nähe in Luft, tauchten dann nur Zentimeter vor unserem Boot unter, unterquerten uns ohne jede Berührung und tauchten auf der anderen Seite wieder auf! Das wiederholte sich mehrmals. Ich stand in höchster Anspannung mit meiner Kamera auf dem schwankenden Bootsboden, bemüht, nicht über Bord zu gehen. Später erst wurde mir bewusst, dass diese Tiere mit einer nur kleinen Bewegung ihrer Schwanzflossen, unser Boot zum Kentern hätten bringen können, was den sicheren Tod für uns bedeutet hätte, bei Wassertemperaturen um den Gefrierpunkt. Aber es schien, als wollten unsere Wale genau das vermeiden. Sie bewegten sich so elegant um und am Boot vorbei, dass es nicht einmal zu einer Berührung gekommen wäre. Uns wurde bald klar, dass die Tiere einfach nur neugierig auf diese seltsamen Gefährte waren, die sich hier in ihre Gewässer verirrt hatten. Dies wurde besonders deutlich, als einer der drei Gesellen etwa 20m vor unserem Boot abtauchte und dann in etwa 1m Entfernung den riesigen Kopf aus dem Wasser streckte, als wollte er uns seltsame Wesen nun doch mal aus der Nähe besehen. Dies war ein unbeschreibliches Erlebnis und kann auch im Video nur ungenügend wiedergegeben werden. Ich spürte den stark riechenden Atem hörte die hochfrequenten Töne und erfuhr diese Nähe zu diesem hochsensiblen Wesen so unmittelbar, dass ich alles um mich vergaß, selbst die Kamera legte ich für einen Moment ab, so überwältigt war ich. Nach einem etwa 20 minütigen Schauspiel zogen die drei noch einmal einige Kreise um unsere Boote und schienen uns mit ihren Finnen eine Art Lebewohl zu sagen. Dann tauchten sie ein letztes Mal ab und blieben verschwunden. Wir standen noch eine Weile, schauten auf das nun wieder völlig ruhige Wasser, jeder von uns sichtlich damit beschäftigt, diese tiefen Eindrücke zu verarbeiten.
Text, Fotos und Video: ©Bernd Riebe
Ich bin begeistert, wunderschöne Bilder und fesselnder Beitrag
Grüße aus Ostfriesland…
Olli