Im Infinity Pool hoch über Singapur
Neulich machten wir auf einem Flug nach Australien einen Stopover in Singapur. Wir stiegen in einem Hotel ab, das überwiegend von Chinesen bewohnt wurde. Die Zimmer waren sauber und boten den nötigen Komfort. Es gab einen recht schönen Swimmingpool und eine Bar, in der abends junge Frauen in fantasievollen Abendkleidern melancholische Lieder sangen. In den Pausen saßen sie wie exotische Vögel in den Liegestühlen am Pool, rauchten und unterhielten sich gedämpft. Auch um zehn Uhr abends war es immer noch warm genug, um ein paar Runden zu schwimmen und dazu ein schönes kaltes Bier zu trinken. Genau das war unser Plan, denn nach dem langen Flug suchten wir etwas Entspannung. Wir gingen also in die Bar und bestellten zwei Glas Bier mit der Bitte, sie am Pool trinken zu können. Uns wunderte es sehr, dass die Barfrau zweimal nachfragte, ob wir wirklich zwei Bier bestellen wollten. Was war daran so ungewöhnlich?, fragten wir uns und bestätigten die Bestellung. Die Barfrau gab uns daraufhin zwei große Gläser mit eisgekühltem Bier und nannte eine Summe, die sich etwas merkwürdig anhörte. Lag es daran, dass sie so schlecht Englisch sprach, oder hatte sie wirklich 48 Dollar verlangt? Bernd fragte nach und musste feststellen, dass wir wirklich 48 Dollar bezahlen sollten.
„This is a night bar, you know“, sagte sie mit einem beleidigten Gesichtsausdruck.
Und sie hatte natürlich recht, wer in einer Nachtbar Bier bestellt, muss schon mit erhöhten Preisen rechnen. Nur halten wir uns für gewöhnlich nicht in solchen Bars auf und sind deshalb auf diesem Gebiet eher unerfahren. Wir zahlten, hatten etwas dazugelernt und gingen mit unserem Bier zurück zu unserem Tisch am Pool. Dort waren wir im Übrigen ganz allein, einmal abgesehen, von den jungen Sängerinnen, die hin und wieder zum Rauchen ins Freie kamen. Der Mond schien durch die Blätter einer mächtigen Palme, warf fragile Schatten auf das dunkle Wasser und versöhnte uns mit dem gezahlten Preis. Das Bier schmeckte herrlich! Es war das teuerste Bier, das wir jemals getrunken haben.
Den nächsten Tag verbrachten wir in der City. Wir besuchten das indische Viertel mit all seinen exotischen Geschäften und den zahlreichen Juwelierläden und gingen entzückt durch Chinatown, wo gerade ein Drachenfest stattfand. Wir besuchten den botanischen Garten mit seinen exotischen Pflanzen und Bäumen. Dieser wurde 2015 zum ersten UNESCO – Weltkulturerbe des Landes ernannt. Natürlich gingen wir auch in den National Orchid Garden, der, mit mehr als 60.000 Pflanzen und Orchideen, die größte Orchideenausstellung der Welt umfasst.
Danach hatten wir genug Energie getankt, um in den Grossstadtdschungel zurückzukehren. Nur wenige Minuten vom Botanischen Garten entfernt, liegt die Orchard Road, ein hypermodernes Einkaufsviertel. Hier unterhält jedes international bekannte Label ein eigenes Geschäft.
Den Abend verbrachten wir an der Hotelbar des Grand Hyatt Singapore. Dort sang eine schöne, rothaarige Britin, die von einem irischen Pianisten am Flügel begleitet wurde. Die Atmosphäre war bezaubernd und das Bier hatte nicht annähernd den Preis, den wir in unserem Hotel bezahlt hatten.
Den nächsten Tag, es war mein Geburtstag, begannen wir mit einer Hop-On, Hop-Off Busfahrt. Diese führte uns gegen 11 Uhr am Marina Bay Sands Hotel vorbei. Das außergewöhnliche Gebäude des Hotels war mir schon am Vortag aufgefallen. Es wirkte aus der Ferne auf mich, als wäre ein großes flügelloses Passagierflugzeug auf den Dächern von drei benachbarten Hochhäusern gelandet. Ich wollte mir dies unbedingt aus der Nähe ansehen und wir „hopten off the bus“.
In Wirklichkeit ist mein imaginäres Flugzeug eine Aussichtsplattform, die sich auf dem Dach des Hotels befindet. Mit einem Aufzug fuhren wir hinauf und hatten einen herrlichen Blick über die Stadt. Leider hatte man von der Plattform aus keinen Rundumblick auf Singapur und, neugierig wie ich bin, wollte ich unbedingt wissen, was dem Besucher vorenthalten wird. Ich ging also los, um nachzuschauen, ob es eine Möglichkeit gäbe, auch die noch fehlende Himmelsrichtung irgendwie einzusehen. Dabei traf ich auf eine Tür, die nur angelehnt war. Ich drückte diese auf und schaute direkt auf einen riesigen Swimmingpool. Schon war ich durch die Tür geschlüpft und bedeutete Bernd, mir zu folgen. Im Vorübergehen nahm ich mir von einem Stapel Handtücher, der auf einer Art Rezeption lag, ein großes beiges Strandlaken und ein kleineres Handtuch. Es war niemand anwesend, der mich daran gehindert hätte und ich machte mir auch weiter keine Gedanken. Ich war einfach nur so begeistert von diesem Pool, der hier oben über dieser modernen Stadt thronte, dass ich nichts weiter anstrebte, als dort zu schwimmen.
Freilich hatte ich keinen Badeanzug dabei, aber das konnte mich nicht aufhalten. Ich legte das große Handtuch auf eine der bereitstehenden Liegen und zog meinen Sarong, den ich am Vortag im Grand Hyatt gekauft hatte, und mein T-Shirt aus. Und schwupps war ich im Wasser. Als Bikini diente meine schwarze Unterwäsche. Das Wasser war so herrlich kühl und erfrischend in der Hitze des Tages. Beherzt schwamm ich bis zum Rand des Pools, dort, wo das Wasser über eine Kante in die Stadt zu fließen scheint. Was war das für ein Anblick! Ich schaute von hoch oben in und auf das glitzernde Häusermeer von Singapur. Bernd stand am Rand und wollte nicht ins Wasser kommen. Aber er machte ein paar Fotos von mir, bevor er von einem Angestellten daran gehindert wurde. Nach ein paar Minuten – ich wollte Bernd nicht zu lange in der Sonne warten lassen – verließ ich mit einem Seufzer des Bedauerns den wunderbaren Infinity Pool, der übrigens weltweit der größte seiner Art auf dem Dach eines Hauses ist.
Ich trocknete mich ab und zog mein T-Shirt und meinen Seidensarong über meine nasse Unterwäsche. Natürlich bildeten sich auf meiner Brust sofort große nasse Kreise, denn mein gepolsterter BH hatte sich ordentlich voll Wasser gesogen. Völlig bezaubert standen wir am Rand des Pools im Schatten einer Palme – ja, hier oben wuchsen Palmen – als ein Kellner auf uns zukam und uns Champagner und kleine Schnittchen anbot. Wir nahmen diese gerne entgegen und stießen damit auf meinen Geburtstag an, der mir ein so unerwartetes Erlebnis beschert hatte. Ich fühlte mich vollkommen glücklich, nur die nassen Stellen auf meiner Brust waren mir ein wenig peinlich. Als wir so standen, und unseren Champagner schlürften, kam eine junge Hotelangestellte und reichte uns aufgerollte Gästetücher, die wohl in einem Kühlschrank aufbewahrt worden waren. Jedenfalls waren sie sehr kalt und wir betupften damit unser Gesicht, unseren Nacken und die Arme. Ah, war das schön erfrischend!
Nach einem weiteren Glas Champagner stahlen wir uns durch die Tür davon, durch die wir unberechtigt, aber arglos, in dieses Paradies eingetreten waren. Freilich, war der Pool auf dem Dach nur zahlenden Hotelgästen vorbehalten. Doch das erfuhren wir erst, als wir in die Lobby des Marina Sands Hotel kamen. Dort sahen wir in einem Prospekt auch die Übernachtungspreise, die zwischen 400 und 600 $ pro Person und Nacht liegen.
Dann traten wir hinaus in die Welt der „normalen“ Touristen und Einwohner von Singapur.
Mir wird dieser Geburtstag für immer in Erinnerung bleiben.
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