Benn -Viele Herbste – Ein düster melancholischer Rückblick

Viele Herbste – Gottfried Benn

Wenn viele Herbste sich verdichten
in deinem Blut, in deinem Sinn
und sie des Sommers Glücke richten,
feg doch die fetten Rosen hin,

den ganzen Pomp, den ganzen Lüster,
Terrassennacht, den Glamour-Ball
aus Crepe de Chine, bald wird es düster,
dann klappert euch das Leichtmetall,

das Laub, die Lasten, Abgesänge,
Balkons, geranienzerfetzt –
was bist du dann, du Weichgestänge,
was hast du seelisch eingesetzt?

Das Gedicht liest sich wie ein melancholisch düsterer Rückblick auf das Leben. In einer Art auktorialer Erzählsituation wird das DU konfrontiert mit dem Herbst des Lebens. Es spürt die vielen erlebten Herbste sich verdichten, ununterscheidbar nun, doch spürbar in Blut (Körper) und Sinn (Geist). Im jahreszeitlichen Bild wird nun des Sommers Glück gerichtet, hinweggefegt die fetten Rosen, Attribute des leichten Lebens, Pomp, Lüster, Glamour-Ball, das düstere Ende, der Winter, naht, verbunden mit ebenso düsteren Prophezeiungen. Dann klappert euch das Leichtmetall, Laub, Lasten, Abgesänge – alles Synonyme für das Vergängliche, Zerbrechliche bis hin zu den geranienzerfetzten Balkons als ultimatives Symbol der Zerstörung. Und schließlich die Sinnfrage, wofür das alles, bleibt etwas, für das es sich lohnt zu leben, was hast du seelisch eingesetzt?

Bernd Riebe

©Foto und Skulptur: Xenia Marita Riebe

2 Kommentare zu „Benn -Viele Herbste – Ein düster melancholischer Rückblick

  1. Ich sehe es nicht ganz so düster. Klar, die Leichtigkeit des Lebens wird hinweg gefegt, immer dann, wenns irgendwo eng und ernst wird. Dann klappert (Euch) das Leichtmetall… Ist es aber nicht die durchaus realistische Feststellung, dass wir heute in Oberflächlichkeit und scheinbarer Leichtigkeit leben, ohne wirklich nachzudenken, was denn bleibt, wenn wir den Schein, den Fake vielleicht, all die Äußerlichkeiten einmal entbehren müssen? Nicht nur am Ende der Erdenzeit, nein auch im Hier und Jetzt. Was ist denn dann? Dann klappert uns das Leichtmetall, dann zittern wir wie Espenlaub, weil wir verlernt haben, unser Glück im Innen statt im Außen zu suchen, weil wir nicht verbunden sind oder unsere Anbindung verloren haben, nur durch die fetten und nicht mehr durch die mageren Jahre oder Tage oder Zeiten gehen können….. Und die Frage nach der Seele taucht auf. Wo übernehmen wir wirklich mit allen Sinnen, mit unserer inneren Kraft Verantwortung für unser Tun, Denken, Fühlen? Was haben wir seelisch eingesetzt? Materiell habe wir sicher viel Energie aufgewendet, aber seelisch? Ist die Seele doch das, was uns Menschen – vielleicht auch allen Geschöpfen – zu eigen ist, das, was immer war, was immer bleibt, uns steuern sollte und uns kräftigt, nährt und uns von der Matrix des Fake fern hält. Mit der seelischen Anbindung kommen wir ins Licht, überwinden die Dunkelheit, alle Schwäche, die Schwere, die Leblosigkeit und Härte der düsteren Zeiten.

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