Reisetagebuch – Südwest Irland – Hackett`s Bar – The Witch

Mein Mann Bernd und ich verbrachten eine Zeit im kleinen Fischerort Schull in Südwest Irland und erkundeten die Mizen Peninsula.

Tag 4 – 6.11.2017
Wetter: sonnig, mit vereinzelten Wolkenfeldern – Temperatur 14 Grad – frischer Seewind

Wieder muss ich bei der Wanderung über den Colla Circle passen, denn nun schmerzen meine beiden Knie. Traurig sehe ich Bernd allein loswandern.
Mittags wage ich aber, in das Town zu gehen. Wir wollen im Hackett Pub zu Mittag essen und der Hunger treibt mich in den Ort.
Der Pub gehört zu den alten, guterhaltenen Lokalen in Schull. Er ist mit sehr einfachen Holzmöbeln eingerichtet – mancher Gast muss hier auf einem leeren Bierfass sitzen – und hat einen abgelaufenen Bodenbelag, der teils aus alten Fliesen, teils aus einfachen Steinen besteht. Das alte Holzwerk ist pechschwarz gestrichen und eine Wand ziert ein sehr gutes Wandgemälde. Hinter der Theke steht, wie bei unserem letzten Besuch vor vier Jahren, eine außergewöhnliche Frau. Sie ist sehr schlank, mit einer scharfen Nase in einem schmalen Gesicht. Ihr braunes Haar trägt sie zu einem dünnen Zopf geflochten und das Haar, was nicht in den Zopf hineinwill, hat sie nachlässig hochgesteckt. Neben großen silbernen Creolen trägt sie einen Nasenring und jede Menge Ringe an den Händen. Ihre Arme, die dünn und lang aus den Ärmeln eines grauen Rollis schauen, sind tätowiert. Bekleidet ist sie mit einer grünen Cargohose, schwarzen Schuhen und einem weich anmutenden Pullunder. Sie unterhält sich mit einem Mann, der ihr Bruder sein könnte.

Auch dieser ist schlank und hat eine schmale Nase, doch sein Gesicht wird beherrscht von einem fülligen krausen Bart und ebensolchen braunen Haaren, auf denen ein kecker Hut sitzt. Die Frau neben ihm hockt mit ihrem breiten Po auf einem Barhocker. Auch sie ist alternativ gekleidet. Weiter Wollmantel in lila, lila Häkelmütze und hellblaue weite Pluderhose. Selbst die Köchin, die auch zur Familie gehören könnte – vielleicht die Mutter der Bedienung, oder die ältere Schwester – ist nicht wie eine solche gekleidet. Auch sie ist schlank und trägt ihr blondes Haar mit einem auffälligen Tuch aus der Stirn gebunden. Sie hat eine bunte Schürze an, unter der eine enge schwarze Lederhose hervorkommt, die sie in coole braune Stiefel gesteckt hat. Unter diesen Leuten fühle ich mich wie eine konservative Landpomeranze.
So werden wir auch von der Bedienung nicht beachtet. Sie unterhält sich lebhaft mit den anderen Gästen, gestikuliert mit ihren schlanken beringten Händen, lässt ihre Gesichtsmimik spielen, wobei sich recht tiefe Falten rund um Mund und Nase bilden, äfft Stimmen nach und lacht dabei viel und laut. Plötzlich wirft sie uns einen auffordernden Blick zu und ich bestelle: „Two half pints of Guinness, please.“
Kurz darauf stellt sie das Bier auf die Theke und ruft: „Your Guinness!“
Bernd holt die Gläser und bestellt zwei Soups of the Day, die schon bald von der ungewöhnlichen Köchin gebracht werden. Die Suppen sind heiß und schmecken hervorragend. Es ist sehr gemütlich im Pub und es macht Freude, die Frau und ihre Gäste zu beobachten, zu denen sich nun auch die Köchin gesellt hat. Man könnte glauben, einem Volkstheaterstück beizuwohnen. Ich denke, wir werden nun häufiger zum Hackett gehen.

Nachmittags gehen wir hinunter zum alten Friedhof. Wir wollen dort Aufnahmen von einer meiner Skulpturen aus Zeitungspapier machen, einer keltischen Hexe. Ich habe sie einer Hexe aus einem Märchenbuch nachempfunden, das ich im Antiquariat entdeckt habe. Sie trägt ein Einhorn auf der Stirn und ihre Hände sind zu keltischen Knoten verwoben. Am Friedhof angekommen, gehen wir auf der Suche nach einem günstigen Fotomotiv erst einmal in die Ruine der Kirche. Hier gibt es ein paar unheimliche Ecken mit alten Grabsteinen und Grabplatten, aber das Licht ist nicht so gut wir draußen. Also stellen wir die Hexe auf ein Grabmal in Form eines Sarges. Hier steht sie nun und ihr Haar, das ich aus Fetzen von schwarzem Plastik gemacht habe, das ich am Wegesrand fand, weht im Wind. Die Kulisse ist gerade passend und so machen wir abwechselnd Aufnahmen. Du kannst sie in der Galerie am Ende des heutigen Beitrags sehen.

Das Wetter ist auch heute wieder gut und wir genießen es, draußen im frischen Seewind zu sein. Auf der Satelitenaufnahme von heute, seht ihr den wolkenlosen Himmel über Irland. Ein paar Einheimische kommen vorbei und schauen neugierig zu uns herüber. Was machen diese Touristen hier?, mögen sie sich fragen. Uns stört es nicht.
Als wir mit den Aufnahmen fertig sind, bringen wir die Hexe zurück und machen noch einen kurzen Gang an das Meer. Später trinken wir im Wintergarten einen Baileys und schon beginnt es dunkel zu werden. Das ist der Nachteil eines Aufenthaltes in Irland im November.
In früheren Jahren genossen wir den Sonnenuntergang häufig in verschiedenen Buchten, weit draußen. Doch das macht im Sommer eben mehr Spaß. Dafür schmeckt im November das Guinness in einem Pub mit offenem Kamin besser.

Text und Fotos: © Xenia Marita Riebe

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