Reisetagebuch – Südwest Irland – Skibbereen

Upper Bridge Street, Skibbereen, Irland

Mein Mann Bernd und ich verbrachten eine Zeit im kleinen Fischerort Schull in Südwest Irland und erkundeten die Mizen Peninsula.

Tag 12 – 14.11.2017

Wetter: stark bewölkt – Temperatur 13 Grad – mäßiger Wind

Wir nähern uns Skibbereen, der einzigen größeren Stadt in der Nähe von Schull. Etwa zwei Kilometer bevor wir die Stadt erreichen, treffen wir auf einen breiten Fluss, den Ilen, der mitten durch Skibbereen fließt. Leider lässt die Stadt entlang des Flusses eine Art Kaimauer errichten, was uns schnell den Blick auf den herrlichen nicht eingedeichten River verwehrt. Dann fahren wir in den Kreisverkehr, der uns zu einer Brücke über den Ilen leitet, vor uns seit geraumer Zeit eine LKW-Fahrschule im Schritttempo. Am Ende der Brücke geht es etwas bergan und wir biegen nach links ab, um zum Zentrum des für unsere Verhältnisse recht kleinen Städtchens zu kommen. Und schon stecken wir mitten im Stau. Die Straßen sind hier sehr eng und die Autos quälen sich aneinander vorbei. Der LKW Fahrschüler scheint heute seine erste Fahrstunde zu haben, denn er wirkte auf uns schon die ganze Zeit sehr unsicher. Jetzt hat er sich im Verkehrsstrom festgefahren und alle anderen versuchen, sich und ihn irgendwie frei zu bekommen. Das dauert ein paar Minuten, aber dann ist der Knoten gelöst. Solche Situationen sind hier Alltag und die Autofahrer nehmen es gelassen. Wir haben nur noch 200 Meter vor uns, dann biegen wir ein, in einen großen Parkplatz und finden mit etwas Glück eine freie Parkbucht. Aldi hat hier eine neue Filiale eröffnet. Weit ausladend und modern liegt das Gebäude des deutschen Discounters da. Käufer gehen ein und aus. Zurück auf der Bridge Street – eine der Hauptstraßen der Stadt – sehen wir in einem Ladenlokal mit schöner Holzfassade eine der üblichen Centra Filialen. Ob sie den Konkurrenzkampf mit Aldi und Lidl überleben wird?

High Street, Skibbereen, Irland

Wir gehen ein wenig durch den Ort und schauen uns die Läden an, die hier die unterschiedlichsten Waren verkaufen. Anders als bei uns üblich, gibt es hier keine Warenhausketten. H&M, Vero Moda, Esprit, Zara usw. sucht man hier vergebens. Dafür gibt es den klassischen Haushaltswarenladen, den Juwelier mit eigener Werkstatt, den Herrenausstatter, mehrere Frisörläden, einen kleinen Baumarkt, ein Einrichtungshaus, das auf engstem Raum Möbel anbietet, und kleine Lebensmittelläden und Bäckereien. Auch den guten alten Butcher gibt es noch. Und natürlich eine Menge Pubs. In einem Schaufenster liegt ein großes Foto, das die Front des Ladens zeigt. Der Preis von 1,10 € ist darauf aufgedruckt. Ich wundere mich und wechsle die Straßenseite – was hier wegen des ständig fließenden Verkehrs nicht so einfach ist – um nachzuschauen, was es damit auf sich hat. Heraus kommt, dass die irische Post Sondermarken mit dem Titel „Irish Shop Fronts“ herausgebracht hat und der Laden auf einer Marke gezeigt wird. Stolz präsentiert der Inhaber nun die übergroße Briefmarke in seinem Schaufenster.

Church Restaurant, Skibbereen, Irland

Church Restaurant Skibbereen
Etwa 200 Meter weiter sehen wir plötzlich eine Kirche, die zum Restaurant umgestaltet wurde. Da wir hungrig sind und draußen auf der Speisekarte ein „Vegetarian Special of the Day“ angeboten wird, gehen wir hinein. Schon der Außenbereich überrascht mit seinen schöne Pflanzen und den gemütlichen Tischen und im Eingangsbereich fällt die Speisekarte auf, die wie ein Messbuch auf dem Pult liegt, von dem früher der Priester gepredigt hat. Das Restaurant muss ein sehr guter Innenarchitekt mit einem reichlich ausgestatteten Etat gestaltet haben. Alles erinnert bis ins Detail an die frühere Nutzung des Gebäudes und trotzdem wirkt das Restaurant gediegen und heiter. Hinter dem Altar, der jetzt als Theke dient, stehen zwei freundliche Barfrauen, die in schwarz gekleidet sind. Die Küche ist offen und kann von den Gästen eingesehen werden. Es gibt eine durchgezogene Empore über dem unteren Gastraum. Dort speisen die Gäste vor den Original-Kirchenfenstern. Bis ins Kleinste erinnert hier alles an den ehemaligen sakralen Ort. Selbst die goldenen Plättchen mit den Tischnummern haben die Form von Bischofsmützen. Die Küche ist im übrigen hervorragend und wir sind mit unserem Essen sehr zufrieden. Das Church Restaurant von Skibbereen ist wirklich empfehlenswert.

Church, Skibbereen, Irland

Die große Hungersnot
Skibbereen, das auf gälisch An Sciobairín (kleiner Bootshafen) heißt und heute ca. 2400 Einwohner hat, kann einen traurigen Rekord für sich verbuchen. Es ist der Ort, der während der großen Hungersnot von 1845-1849 die meisten Toten in ganz Irland zu beklagen hatte. Bis zu 10000 Skibbereener verhungerten und wurden unidentifiziert in drei Massengräbern beerdigt. Viele andere Bewohner wanderten aus. Skibbereen gilt in Irland noch heute als Synonym für die große Hungersnot und auch für den Hunger weltweit.
Heute wirken die Einwohner von Skibbereen fröhlich wie alle anderen Iren auch. Sie gehen ihren Geschäften nach und genießen ihr Leben, wenn auch beinahe jede Familie des Städtchens Opfer zu beklagen hatte und die Geschichten aus der schweren Zeit innerhalb der Familien weitergetragen werden. Das Skibbereen Heritage Centre erinnert in einer Ausstellung an „The Great Famine“.
Skibbereen ist jetzt wieder ein rühriges Städtchen geworden, dessen Einwohner freundliche nette Menschen sind, aber wir müssen leider feststellen, dass es hier, wie überall in der westlichen Welt, eine Menge viel zu dicker Menschen gibt. Nur sind wir auf Grund der Historie geneigt, dies hier eher zu verstehen. Das mag falsch sein, aber wenn eine Stadt so eng mit einer Hungersnot verbunden ist wie Skibbereen, können wir den Einwohnern nicht verdenken, dass sie nie wieder auf Essen verzichten wollen.
Nach unserem Lunch im Church Restaurant machen wir noch einen weiteren Rundgang durch die Straßen Skibbereens, schauen uns die Kirche an, betrachten die Häuserfronten aus buntem Holz und gehen dann unserer Wege.

Text und Fotos:  © Xenia Marita Riebe

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